Der Nordkanal

Wie sah der Kanal aus?

"aus: Tamm, Horst (Hrsg): Das Kanalhaus. Der Nordkanal im Raume Viersens und das Viersener Kanalhaus, Viersen (Eigenverlag), 2000."

Mit freundlicher Genehmigung des Verfassers vom 12. Juli 2022

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Die Dimension des Kanalbettes ergab sich durch die Forde­ rung, daß zwei Rheinschiffe kleinerer Art, wie sie damals 29) zwi­ schen Köln und Holland eingesetzt wurden, aneinander vorbei fahren können. Die Schiffe waren bis zu 13 m lang, hatten einen Tiefgang bis zu 2,60 m und eine Ladekapazität bis zu 200 to. Aus den Schiffsabmessungen ergab sich eine Kanalsohlenbreite von 13 m und eine Kanalbreite in Höhe des Wasserspiegels von 20,8 m. Die Wassertiefe wurde auf 2,60 m festgelegt. Mit dem Kanalaushub wurden die Dämme aufgeworfen; der Böschungs­ winkel betrug 38°, die gesamte Dammhöhe 4 m. Die Dammkro­ ne lag also 1,4 m über dem Wasserspiegel, war 6 m breit und diente als Treidelpfad . Die Böschung wurde zum Schutz gegen Wellenschlag z .B. mit Schilf bepflanzt und auf die Deiche wurde Gras eingesät. Auf dem Damm standen landseitig Laubbäume. Begleitet wurde der Kanal beidseitig von Entwässerungsgräben. Zur Vermarkung wurden Grenzsteine gesetzt. Zur Verdeutli­ chung der Terraingrenze sollten angrenzende Feldbesitzer ebenfalls Bäume pflanzen. Damit war der Kanal mit seinen Anla­ gen von Begleitgraben zu Begleitgraben 60 m, von Pappelreihe zu Pappelreihe 63 m breit30). Der geradlinige Verlauf und die begleitenden Pappelreihen nahmen in etwa das Bild der kanali­ sierten Niers vorweg .

Legt man die von Scheller ermittelte Scheitelhöhe von 37,1 m über NN31) und die Reliefkarte des Landesvermes­ sungsamtes zu Grunde, so hätte die Wasseroberfläche im Be­ reich Viersens auf der gleichen Höhe wie das umliegende Land, teilweise sogar höher gelegen und hätte einen Anblick geboten, wie man ihn z .T. vom Mittellandkanal her kennt. Zu den Gräben links und rechts neben dem Kanal schreibt Hageau: „ Hinter jedem Böschungsabsatz wird ein Nebengraben ausgehoben, der auf französischer Seite durchschnittlich 2 m und auf der Außenseite durchschschnittlich 3 m breit ist. Dieser dient als erste Verteidigungslinie und kann nötigenfalls verbrei­ tert werden. Diese Nebengräben sind so tief, wie es die Leitung des Wassers zu den Aquädukten und die Entwässerung der Sümpfe sowie der Gebiete an den Ufern des Kanals erfor­ dern" 32 ). Im Bereich Viersens lagen Aquaedukte, Wasserdurchlässe für die quer zum Kanal zur Niers fließenden Bäche; weiterhin Häfen und Brücken. Hören wir hierzu wieder Hageau: "Die Not­ wendigkeit Erde für die Dämme des Kanals im Tal von Hollen­ ben zu erhalten, wo die maximale Höhe des Kanals weniger als einen Meter unter dem natürlichen Gelände liegt, macht es nö­

tig, einen Hafen von 300 m Länge auszuheben . . ."33). Scheller nach beiden Seiten öffnen lassen. 11 Es wäre wegen der Einfach­ identifiziert Hollenben mit Helenabrunn; ich möchte darin die 11 Rollenbenden" sehen. Reste dieses unterhalb der ehemaligen 11 Hammer Schanze" angelegten Hafens spielte als „ Hammer Loch" in der Lokalgeschichte noch eine gewisse Rolle. Erinnert sei hierbei an den Pompefritz" 34) .

In Süchteln, etwa in der Mitte der Kanalstrecke Neuss-Ven­ ia, wurde ein Hafenbecken ausgehoben. Hinsichtlich der Motive äußert sich Hageau: Die Lage der Ortschaft Süchteln, in gerin­ ger Entfernung vom Kanal, außerdem eine Schiffstagesreise so­ wohl vom Rhein als auch von der Maas entfernt, macht es nö­ tig, in der Ebene gegenüber der Ortschaft ein Becken oder ei­ nen Hafen von 100 m Länge und 30 m Breite anzulegen, um die Boote unterzubringen, die dort fest machen wollen . Außerdem zeigt die Erfahrung, dass es bei Schifffahrtskanä­ len, deren Breite nicht ausreichend ist, um den Flussschiffern die Drehung ihres Schiffes erlauben, notwendig ist, in gewissen Abständen ausreichend breite Stellen zu schaffen, um dieses Manöver zu ermöglichen" 35). - Siehe hierzu die Farbtafeln V und VI. Aus ähnlichen Gründen wie für den Hammer Hafen, also um genügend Material für die Dämme zu erhalten, wurde im Be­ reich der Nette ein Hafen geplant. Über die Brücken schreibt Hageau: II Die Brücken, die über den Kanal führen, werden gehoben, und zwar mit einem oben angebrachten Hebebalken". An dieser Stelle sei an die bekann­ ten Bilder von van Gogh erinnert, nur daß dort sich die Brücken nach beiden Seiten öffnen lassen. 11 Es wäre wegen der Einfach­ heit der Handhabung wünschenswe rt, daß sie (die Brücken, Anm. d. Übers.) aus zwei Halbbrücken bestünden. Aber da der Kanal als eine militärische Verteidigungslinie angesehen wird, denken wir , daß es besser ist, sie nur mit einem Brückenteil zu bauen, dessen Pfeiler auf französischer Seite zu stehen kommt.

Diese Brücken, im Ganzen elf, lassen den Schiffen eine Durch­ fahrt von 6,6 m Breite" 36). Solch eine Brücke engte den Kanal ein, sodaß gleichzeitig nur ein Schiff hätte passieren können. - Die Fundamente der Viersener Brücke müssen sich noch unter der Fahrbahn oder unter dem Bürgersteig der Krefelder Straße, ungefähr gegen­ über der Einmündung der Kanalstraße befinden. Ursprünglich wurden auch Drehbrücken geplant und die Plä­ ne gutgeheißen, aber aus wirtschaftlichen Gründen wurde auf sie verzichtet: „ Dieser Plan war am 5. August 1808 vom Con­ seil general des ponts et chaussees genehmigt worden, wurde

jedoch aus Sparsamkeitsgründen durch das System der Zug­ brücken ersetzt, obwohl das der Drehbrücken für die militäri­ sche Verteidigungslinie, die der Kanal darstellen soll, der einzig zweckdienliche war" 37). Die vierte Brücke war für die Straße Aachen-Krefeld bei Neersen, die fünfte für die Straße Neuss-Venlo über Schwar­ zenpfuhl und Bökel (= Büchel) bei Viersen, die sechste für die Straße Neuss über Krefeld nach Süchteln, die siebente für die Route Duisburg-Uerdingen-Hinsbeck-Lobberich-Kaldenkirchen nach Venlo bei Grefrath und die achte für die Route Geldern-Aa­ chen bei der Flootsmühle geplant. - Die ersten Brücken lagen

im Bereich von Neuss. - Nördlich der bei der Flootsmühle ge­ planten Brücke waren Brücken im Bereich der Abstiegsschleu­ sen geplant. Die letzte und elfte, die an der Maas lag, war eben­ so wie die erste am Rhein bei Neuss gelegene für den Lein­ bzw. Treidelpfad des jeweiligen Stromes vorgesehen. Jede dieser Brücken benötigte Brückenwärter, die die Brü­ cke bei einer Schiffspassage bedienten, und somit entstanden, immer auf der „ französischen" Seite des Kanals, ebensoviele Brückenwärterhäuser wie Brücken. Allerdings wurden einige Wärterfunktionen zusammengefasst. Bei 11 Brücken und 9 Schleusen wurden nicht 20, sondern nur 17 Wärter- bzw. Kanal­ häuser geplant. Diesen, besonders dem Viersener Beispiel, wid­ men wir eine eigene Darstellung (siehe S. 27 ff.).

Zusätzlich waren noch Fähren zwischen den Brücken vorge­ sehen38). Obwohl keine Fährhäuser erwähnt werden, lassen sich gewisse, in der Überlieferung als „ Kanalhäuser" bezeichnete Gebäude nicht anders denn als Fährhäuser deuten, zumal sie in der Nähe einer geplanten Fährstelle standen oder noch stehen. Ein Beispiel bot die „ Rheinische Post" vom 21. 6. 1952. Sie berichtete, daß das Kanalwärterhäuschen den Bauvorhaben der Viersener Aktienbau im Wege stand und abgerissen wurde . Es lag an der Einmündung der Straße „ Am alten Nordkanal" in die Rahser Straße; das beigefügte Bild zeigt eine bescheide­ nere Ausführung des Brückenwärterhaustyps. Nach dem Plan Hageaus 39) hätte zwar die Fähre etwas weiter nördlich, etwa in der Gegend der Oberrahser Straße, gelegen. Weitere Fähren

wurden u. a. zwischen Büttgen und Schiefbahn, bei Hamm und an der Querung von Mühlenheuweg/Kempener Straße mit dem Kanal, heute mit der Grefrather Straße geplant. - Da der Bau und die Unterhaltung der Fähren den Kommunen überlassen blieb, wäre es verständlich, wenn im Fall der Fährhäuser gewis­ se Abweichungen von den Plänen auftraten. Das Haus Mühlenheuweg 140 wird in der Überlieferung ebenfalls als „ Kanalhaus" bezeichnet; wieder könnte es der Lage nach ein Fährhaus sein. Aber die Katasterakten geben keinen Hinweis darauf; es gehört in der französischen Zeit nicht der „ commune'', später nicht der „ Gemeinde". Auch sonst ließ sich in den Unterlagen kein entsprechender Hinweis finden. Aus den Karten von 1873 geht jedoch hervor, dass

es ein Bahnwärterhaus des „ Schluffs" war, der hier vorbeiführ­ te141). Wie schon erwähnt, mußten Wasserläufe, die den Kanal querten, per Durchlaß oder „ Aquaedukt " unter das Kanalbett geführt werden. Es waren recht aufwendige Konstruktionen. Ganz besonders aufwendige Anlagen waren zur Querung von Erft und Niers vorgesehen, weil ein Teil des Flußwassers zur Ka­ nalspeisung benutzt werden sollte. Die Nierskreuzung mit dem Kanal war bei Neersen vorgesehen; hierzu gehörte nicht nur der Flußdurchlaß, sondern auch eine Entlastungsanlage („ epan­ choir"). Von den Durchlässen für Bäche und Gräben sollten in unserem Bereich einer bei der Neersener Mühle/Viersener Dank, einer beim Morast oder Sumpf von „ Hollenbend", einer

für den Viersener oder Dorfer Bach, einer bei der Süchtelner Mühle, der sechste beim Rothof, also in der Nähe der oben be­ schriebenen Fähre (Mühlenheuweg) , der siebente am Weg von der Rossemühle nach Grefrath, einer an der Nette-Mühle und ei­ ner schließlich für Nette und Renne sein. - Das hier wieder auf­ 11 die Oberhand hatte. 11 England bezeige die innigste Theilnahme an Hollands unglücklicher Lage; . . . Schritte zu einer friedlichen Annäherung könne England um so weniger thun, da Frankreich durchaus keine gleiche Neigung äußere" wurde einem Abge­ sandten Hollands in London erklärt. tauchende 11 Hollenben/Hollenbend wird von mir, wie schon er­ So standen Prinzip gegen Prinzip, Härte gegen Härte unver­ wähnt, als Rollenbend gedeutet. Es sind dies Bäche, die von 11 Hollenbend" und Bebrich kommend bei Büchel/Bökel in die Niers mündeten (der alte Nierslauf verlief um diese Zeit etwas östlicher als heute; siehe dazu die beigefügten Karten). Dem­ nach ließ der dritte Durchlaß den Hammer Bach, evtl. noch den Alsbach durch. Die weiteren Durchlässe, z .B. der für die Fossa Eugeniana, lagen schon außerhalb unseres Kreisgebietes. Zur Verdeutlichung des Ganzen haben wir aus dem Planat­ las von Hageau die entsprechenden Pläne als Abbildungen über­ nommen. Mehrere Male lasen wir, wie dem Kanal und den Begleitanla­ gen Verteidigungswert zugemessen wurde. Tatsächlich hat er aber nie, nicht 1813/14 und auch nicht später, als Verteidi­ gungslinie gedient.


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