Der Nordkanal

Organisation und Personen: A. Hageau

"aus: Tamm, Horst (Hrsg): Das Kanalhaus. Der Nordkanal im Raume Viersens und das Viersener Kanalhaus, Viersen (Eigenverlag), 2000."

Mit freundlicher Genehmigung des Verfassers vom 12. Juli 2022

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Für den Nordkanal war der „ Conseil des Ponts et Chausse­ es" unter seinem Directeur general Graf Mole mit Sitz in Paris zuständig. Unter dessen Leitung standen die Chefingenieure des Nordkanals. Der erste Teil betraf die Strecke Maas - Ant­ werpen, der zweite Abschnitt Rhein - Venlo . Der Leiter dieses zweiten Abschnitts war A. Hageau mit dem Titel „ L'ingenieur en chef de la deuxieme (= zweite) section du Canal du Nord". Außer diesen zentralen Zuständigkeiten gab es noch Ingeni­ eurstellen in der Departementsverwaltung in Aachen . Oberinge­ nieur war ab 1804 Felix Belu aus Troyes (Aube). Unter ihm ar­ beiteten die „ gewöhnlichen Ingenieure" (Ingenieur ordinaire) Hy­ ancinthe Defuge ( * 1769 in Saint-Leger, Pas de Calais), Jean Pierre Kreyselle ( * 1767 in Straßburg), Abraham Gabriel Mosse (* 1780 in Carpentras (Vaucluse)) und Jean Baptiste Pauly. Darü­ ber hinaus gab es überregionale Zuständigkeiten; als Divisions­ inspektor für die Rheindepartements (von Haut-Rhin (=Oberei- saß) bis zum Roerdepartement) mit Sitz in Mainz wurde Charles Joseph Six eingesetzt. 23 Aus dem Werk von Sabine Graumann übernehmen wir zwei Passagen. Einmal geht es um den Ober- oder Chefingenieur Belu, zum anderen um die Beurteilung der beauftragten Bau­ unternehmen. Der Text bezieht sich zwar auf Bauunternehmen des Wegebaus; aber man darf annehmen, daß es im uns inter­ essierenden Bereich nicht wesentlich anders aussah. Belus „ Wirken wurde indes nicht unkritisch beobachtet, und so kam es durch die ihm vorgeworfene mangelnde Aktivität be­ reits 1806 zu Zusammenstößen mit Präfekt Lameth und 1810 anläßlich von Bauarbeiten am Gebäude des Kriminalgerichts­ hofs in Aachen zu Streitigkeiten mit dem kaiserlichen Prokura­ tor ; als schließlich im Frühjahr 1811 Präfekt Ladoucette gar auf Entlassung Belus drängte, reichte dieser ein Versetzungsge ­ such ein" 24). Andererseits liegen in Düsseldorf Akten, aus de­ nen hervorgeht. daß Belu noch im Juli 1813 als lnspecteur Divi­

sionaire eine Inspektionsreise durchführt ) und er wird um die­ se Zeit von einem Ingenieur Brion als „ L'ingenieur en chef" an­ gesprochen, scheint also nicht versetzt worden zu sein. Weite­ re Ingenieure der Abteilung Brücken und Chausseen in Aachen waren Rounique und Clachey . Während Hageau nach Aufgabe des Kanalbaus versetzt wurde , verließen die Departementsinge­ nieure nach Eintreffen der Alliierten 1814 Aachen; nur Kreyselle blieb auf seinem Posten und wurde vorübergehend von der deutschen Gouvernementsverwaltung übernommen. Zur Beurteilung der Bauunternehmen sei folgendes Zitat übernommen: „ Bei der Organisation überließ man es gewissen­ losen Entrepreneurs die Kunststraßen zu bauen. Welches Inter­ esse konnten diese haben, sie gut zu machen? . . . Das Geld fällt in die Kassen des Raubgesindels und die Wege bleiben schlecht" 26). Mit dem Geld ist das an 77 Landeszollstätten des Departements erhobene Chausseegeld gemeint. Später , in der Gouvernementsverwaltung, klingt es ähnlich; nur der Unterneh­ mer Leydel wird positiver beurteilt27 ). Wir wollen uns Amable Hageau zuwenden, der für den Teil des Nordkanals zwischen Rhein und Maas verantwortlich war. Amable Hageau wurde am 16. Januar 1756 in Anguille­ court-du-Saut an der Aisne in der Picardie geboren. Er bekam erst eine kleine Stelle in der Provinz und studierte dann in Paris

an der Hochschule für Brücken und Straßenbauwesen und ar­ beitete unter Ingenieur Peronnet. Wie es heißt, ersetzte er durch fleißiges Studium die Mängel der ersten Ausbildung . Nach Abschluß des Studiums wurde er als Unteringenieur dem Nivernaiskanal zugeteilt. Zuerst mit dem Planen beauftragt, be­ kam er dann die Leitung der Ausführung . Nach Einstellung des Projektes kam er nach Dole und baute dort eine Schleuse und arbeitete an einer Brücke. Sein Bericht darüber wurde in den „ Annales des Ponts et Chaussees" veröffentlicht. 1805 wurde er zum Chefingenieur ernannt und mit dem Bau des zweiten, östlichen Nordkanalstücks beauftragt. Nachdem 1810 die Arbeiten an dem „ Grand Canal du Nord" eingestellt wurden, kam Hageau 1811 für 9 Monate nach Jemmapes, wo er mit den Plänen für die Kanäle von Charleroi und von Mons nach Conde (Kanalverbindungen in den Bereichen von Scheide und Sambre; überwiegend im heutigen Belgien) beauftragt wur­ de. Für die Zeit von 1812 bis 1814 wurde er zum Vertreter von Defougeres in Turin ernannt, dem das Straßenbauwesen des Nordens und der Mitte Italiens und damit auch die Straßenver­ bindungen über die Alpen unterstand. In der nachnapoleonischen Zeit kehrte er nach Frankreich zurück, übernahm die Leitung des Rhein-Rhone-Kanals und ging schließlich nach Carcassonne. Zugunsten einer Berufung an die Abteilung für Kanäle und Gewässer im Jahre 1817 legte er die Leitungsaufgabe nieder und ging nach Paris. Er brachte die Ar­ beiten am Ourcq-Kanal wieder in Gang und bereitete die Privati­ sierung der Kanäle von Saint-Denis und Saint-Martin vor. Um diese Zeit publizierte er das Werk über den Nordkanal.

infolge eines Streites mit dem Chefingenieur Girard, bei dessen Buchführung er schwere Unregelmäßigkeiten nachwies, wurde er 1819 wieder nach Carcassonne geschickt, wo er die Leitung des Canal du Midi (erbaut: 1667-1681), zeitweise (1822-1824) auch die des Nivernais-Kanals übernahm. Am 19. Oktober 1830 ging er in den Ruhestand und starb in Clamecy am 12. September 1836. Hageau wird in den Nachrufen als ehrlicher Mensch, sehr aktiv und mit immenser Kenntnis im Wasserbau geschildert. Ne­ ben den erwähnten Publikationen über den Nordkanal, die Schleuse von Dole und anderen Veröffentlichungen in den „ An­ nales" gibt es von ihm einen Bericht über den Unterhalt der Straßen (1829). Darin empfahl er für die damalige Zeit moderne Verfahren, die 10 Jahre später allgemein Anwendung fanden 28).


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