Eisernes Buch der Gemeinde Lobberich
- Kriegsfürsorge für die Familien der Einberufenen -
Buch Seite 53ff
Die Fürsorge christlicher Nächstenliebe erstreckte sich in Lobberich auch auf die Zurückgebliebenen der Einberufenen. Gemeinde und Bürger nahmen sich ihrer an.
In vorbildlicher Weise gaben die beiden Firmen de Ball und Niedieck der Bürgerschaft ein leuchtendes Beispiel. Sie zahlten nämlich den Angehörigen ihrer eingezogenen Angestellten das volle Gehalt weiter. Damit war für's Erste manche Not behoben.
Die alsbald einsetzende Preistreiberei in Lebensmitteln suchte die Firma Niedieck & Co. durch größeren Einkauf von Lebensmitteln zu bekämpfen; sie gab diese teilweise weit unter Einkaufspreis an die Familien ihrer einberufenen Angestellten und Arbeiter ab.
Nach dem Gesetz vom 28. Februar 1888 hatten die Familien der eingezogenen Mannschaften der Reserve, Landwehr, Ersatzreserve, Seewehr und des Landsturms Anspruch auf Unterstützungen. Die Wohltaten dieses Gesetzes wurden in Lobberich weitgehendst in Anspruch genommen. Der Gemeinderat wählte zum Zwecke besonderer Fürsorgemaßnahmen dür die Familien der Einberufenen eine Kommission bestehend aus den Herren Geheimrat van der Upwich, Carl Niedieck, Reinhard Boetzkes, Konrad Seeger, Andreas Peuten, Gerhard Heythausen, Emil Pötter, Ambrosius Frank, Heinrich Stiels, Arthur van der Beek, Paul Peters und Heinrich Stroetges. Dieser Kommission lag es op, dafür zu sorgen, daß die staatliche Familienunterstützung und die von der Gemeinde bewilligten Zuschüsse zu dieser Unterstützung in der richtigen Weise verteilt wurden. Bezüglich der Zuschüsse hatte der Gemeinderat beschlossen, den Ehefrauen 20%, bis zu 3 Kindern je 10%, für die weiteren Kinder je 5% des ortsüblichen Tagelohnes als Zuschuß zu der staatlichen Unterstützung zu zahlen. Diese Zuschüsse erhöhten sich im Laufe der Kriegsjahre entsprechend der eingetretenen Geldentwertung.
Über 300 Ehefrauen bezogen in Lobberich Familienunterstützung.
Besonders rühmlich zeichnete sich der Lobbericher Kriegerverein in der Fürsorge für die Frauen und Kinder seiner einberufenen Mitglieder aus, wozu ihm aus der Stiftung des verstorbenen Herrn Kommerzienrats Julius Niedieck 5000 Mark zur Verfügung standen. Durch weitere Stiftungen und zwar von Herrn Anton van der Upwich 2000 Mark, Herrn Geheimrat van der Upwich 1000 Mark, Herrn Carl Niedieck 1000 Mark, standen dem Kriegerverein nunmehr 9000 Mark für Unterstützungszwecke zur Verfügung. Durch Vorstandsbeschluß wurden den Frauen der einberufenen Mitglieder 3 Mark und für jedes Kind 1 Mark wöchentlich an Unterstützung gezahlt.
Auch der Turnverein und der Sassenfelder Musikverein ließen es sich nicht nehmen, die Familienangehörigen der zur Fahne einberufenen Mitglieder zu unterstützen.
Die St. Sebastianusbruderschaft gab den Familien ihrer im Felde stehenden Mitglieder eine Beihülfe von 200 Mark.
Die Firma Johannes Girmes in Oedt, die auch Arbeiter aus Lobberich beschäftigte, gab bekannt, daß die Zinsen des vom Herrn Kommerzienrat Johannes Girmes im Jahre 1904 gestifteten Kapitals, die 20 000 Mark jährlich betrugen, zur Unterstützung der Frauen und Kinder der ausziehenden Angestellten und Arbeiter der Firma verwendet würden. Manche Not wurde hierdurch in Lobbericher Familien gelindert.
Die Vorstände der christlichen Gewerkschaften, denen die meisten Lobbericher Arbeiter angehörten, beschlossen, vom Vermögensbestande mehrere Millionen Mark zur Unterstützung der durch den Krieg Geschädigten zur Verfügung zu stellen. Auch der deutsche Werkmeisterverband, Sitz Düsseldorf, stellte zur Linderung der ersten Not 2 000 000 Mark zur Verfügung. Diese edle Tat hat auch in Lobberich ihre Wirkung nicht verfehlt.
Die Gemeinde ließ im Oktober 1914, um den Mangel an Speisekartoffeln abzustellen, von auswärts eine Anzahl Waggons Kartoffeln kommen und verkaufte diese zum Selbstkostenpreis an die Familien der Einberufenen.
Herr Geheimrat van der Upwich richtete in dem Speisesaal der Firma de Ball zur gleichen zeit eine Suppenküche ein, in der täglich eine große Zahl Kinder der einberufenen Arbeiter eine gute Suppe erhielten.
Dem Beispiel des Vorjahres folgend, kaufte die Gemeinde auch im September 1915 nicht nur Kartoffeln für die Kriegerfrauen und für die übrige Bevölkerung ein, sondern sie beschaffte auch eine größere Menge Kappus, da das Gemüse inzwischen knapp geworden war.
Im November 1915 stellte die Firma Niedieck & Co. den Kriegerfrauen ihrer Arbeiter drei Scheffel Koks kostenlos zur Verfügung. Ferner verteilte sie an alle Arbeiter-Kriegerfrauen ihres Betriebes einen Gutschein von 8 Mark für beliebige Einkäufe in ihrer Konsumanstalt, gabnoch 7 Mark in bar und stellte für jede Familie noch weitere 4 Scheffel Koks unentgeltlich bereit.
Für die Weihnachtsbescherung im Jahre 1915 wurde für die Kinder der bedürftigen Kriegerfrauen vom Kreise Kempen ein Betrag von 250 Mark und vopn der Gemeinde Lobberich ein solcher von 200 Mark bewilligt.
Zur Steuerung der inzwischen größer gewordenen wirtschaftlichen Not faßte der Gemeinderat am 29. Januar 1916 folgenden Beschluß:
"Kriegerfrauen und Witwen, deren einziger Ernährer zum Kriegsdienste eingezogen ist, wird, soweit sie Reichs- und Gemeindebeihülfe beziehen, vom 1. Januar 1916 ab ein Wohnungszuschuß von monatlich 5 Mark gewährt. Denjenigen Vermietern, die mindestens 1/3 der Miete nachlassen, soll der Rest der Miete, also 2/3 des Gesamtbetrages, sichergestellt werden in der Weise, daß der Wohnungszuschuß und ein entsprechender Teil der dem Mieter zustehenden Gemeindebeihilfe unmittelbar an sie gezahlt werden. Den Mietern, die der Kürzung der Gemeindebeihilfe um den Betrag der Miete nicht freiwillig zustimmen, soll die ganze Gemeindebeihilfe verweigert werden."
Der Lobbericher Turnverein veranstaltete im März 1916 unter seinen Mitgliedern eine Sammlung zur Unterstützung der Frauen ihrer im Felde stehenden Mitglieder. Die Sammlung ergab 178 Mark. Bisher hatte der Turnverein für diesen edlen Zweck bereits über 1000 Mark aus seiner Kasse hergegeben.
Vom 1. Juni 1916 ab gab die Firma Niedieck & Co. an Kriegerfrauen, deren Männerbei ihr beschäftigt waren, bis zu 25 Scheffel Koks zum Preise von 30Pfg. für den Scheffel ab. Der Koks durfte jedoch nur im eigenen Haushalt verbraucht werden.
Am 5. November 1916 veranstaltete das 2. Ersatz-Bataillon Inf. Regt. 161 zu Eschweiler im Saale des Hotels Kessels in Lobberich ein Wohltätigkeits-Konzert, dessen Ertrag für die Kriesfürsorge bestimmt war.
Die Firma Niedieck & Co. gab im Januar 1917 1 1/2 Scheffel Holzbrandkohlen zum ermäßigten Preise von 1,15 Mark an Kriegerfrauen ihres Betriebes ab.
Der Arbeitslosen-Ausschuß setzte im März 1917 zur Sicherung einer möglichst ergiebigen Ausnutzung der Gärten der Kriegerfamilien einen besonderen Ausschuß ein, der den Frauen mit Rat und Tat zur Seite stehen und auch aus den Reihen der Arbeitslosen die nötigen Arbeitskräfte vermitteln sollte.
Die Firma Niedieck & Co. bestellte im September 1917 für das Frühjahr 1918 frühe undspäte Saatkartoffeln für die Kriegerfrauen und Kriegerwitwen ihres Betriebes und gab diese zum Selbstkostenpreis ab. Sie bewilligte ferner im Oktober 1917 Vorschüsse zum Einkauf von Winterkartoffeln an ihre Kriegerfrauen.
nächstes Kapitel: Fürsorge für die Hinterbliebenen der gefallenen Krieger
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