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Donnerstag, 31. August 2006


„Wir wollen doch nur Arbeit“


ROKAL: Kundgebung am Samstag um "5 vor 12"

Das wird eine der größten Kundgebungen, die das Grenzland je gesehen hat: Am Samstag gehen die „Rokaler“ auf die Straße, wollen auf sich aufmerksam machen. Wollen verhindern, dass die meisten von ihnen bald keine Arbeit mehr haben.

„Wir wollen doch nur arbeiten, mehr wollen wir nicht“, sagt Betriebratschef Detlef Pockrandt: „Hier geht es nicht um höhere Löhne oder weniger Arbeitszeit. Es geht ums Leben und leben lassen.“

Bereits am gestrigen Mittwoch hatten die Rokal-Belegschaft auf sich aufmerksam gemacht: In Stuttgart, bei der Hautversammlung der Rokal-Mutter „Hansa Metallwerke AG.“ 21 Mitarbeiter standen in ihren roten T-Shirts auf dem Bürgersteig, pusteten aufgebracht in ihre Trillerpfeifen. Es waren „Rokaler“, die sich eigens für diesen Tag Urlaub genommen hatten. Die Produktion in Lobberich lief weiter. „Wir kämpfen nicht gegen unseren Arbeitgeber“, weiß Pockrandt: „Im Gegenteil - seit langem leisten wir freiwillig Mehrarbeit, um den Standort zu erhalten.“

In Stuttgart ging es unterdessen heiß her. Die Hauptversammlung, üblicherweise eine Sache von rund 90 Minuten, wurde häufig unterbrochen, zog sich vom Vormittag bis in den Abend. „Es ist der Kriegsschauplatz zweier verfeindeter Familienstämme“, berichtete ein anwesender Fachjournalist: „Herbert Reh will von seinen Verwandten unternehmerische Entscheidungen plausibel dargelegt haben. Hier geht es auch um Rokal - betriebswirtschaftlich ist die Entscheidung nämlich nicht nachzuvollziehen.“

Vor dem Samstag laufen die Telefondrähte des Betriebsrats in Lobbrich heiß: Mit dem Bundesarbeitsministerium wurde telefoniert - vielleicht schickt Franz Müntefering einen Brief nach Lobberich. Auf jeden Fall will er einen Sozialdemokraten als Vertretung nach Nettetal bitten. Uwe Schummer, CDU-Mann in Berlin, hat schon lange zugesagt zu kommen. Nettetals CDU kommt, die SPD auch. Die KAB lässt die Rokaler genauso wenig im Stich wie Handwerk und Handel.

500 Menschen werden vor dem Nettetaler Rathaus erwartet. „Das ist die niedrigste Schätzung“, sagen Kenner: „Weil es um den Grundsatz geht, wie viele Arbeitsplätze denn in der Gesellschaft überhaupt noch abgebaut werden dürfen.“ Los geht es um „fünf vor zwölf“ auf dem Doerkesplatz.


KAB unterstützt Rokal-Belegschaft

Lobberich. Die katholische Arbeitnehmerschaft (KAB), Pfarrgruppe St. Paulus Lobberich, erklärt sich mit der Belegschaft der Hansa-Tochter Rokal solidarisch.

KAB-Vorsitzender Peter Lennackers: „Viele Arbeiter sollen ihren Arbeitsplatz verlieren. Hinter den Betroffenen stehen Familien und deren Schicksale. Das Elend setzt sich fort. Das Schicksal vieler Lobbericher Familien steht auf dem Spiel. Durch die Arbeitslosigkeit werden viele in ihrer Lebensäußerung eingeschränkt. Aktionäre sehen nur ihren Gewinn. Zwar soll der Einsatz des Kapitals Gewinn bringen, ebenso wie der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft. Viele Aktionäre sehen nur noch den wirtschaftlichen Effekt. Ihr Kapital soll sich kapitalisieren. Leider steht die Verantwortung im Dienst am Nächsten nicht mehr im Vordergrund. Wird die Nächstenliebe in unserer Gesellschaft nicht mehr beachtet? Dies ist nicht im Sinne eines christlichen Menschenbildes! Die Aktionäre müssen die Verantwortung für die Arbeitnehmer mittragen und fördern. Schließlich werden die Gewinne durch die menschliche Arbeitskraft erwirtschaftet. Nur gemeinsam schaffen Kapital und Mensch Arbeit, Brot und Lebensunterhalt für alle. Nur so werden die Herzen der Menschen fähig, am Anliegen der Gesellschaft mitzuarbeiten, deren Mitte unser Schöpfer ist. In der Botschaft des Schöpfers ist die Verantwortung klar definiert. Gemeinsam braucht das Kapital die Arbeitskraft und umgekehrt die Arbeitskraft das Kapital. Nur so bekommen alle den Mut und die Voraussicht, mit diesem Werk zu beginnen, damit unsere Kinder und Kindeskinder einst mit Stolz den Namen Mensch tragen. Eine menschenwürdige Politik ist in der Verantwortung nötig. Wir hoffen, dass die Aktionäre ihre Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern erkennen, damit die Arbeitsplätze in Lobberich erhalten bleiben.“

Peter Lennackers lädt alle Mitglieder der KAB zur Teilnahme an der Großkundgebung an diesem Samstag, 2. September, „5 vor 12 Uhr“ am Rathaus in Nettetal, Doerkesplatz, ein


Kampfabstimmung über Lernmittel


Nettetal. Eingehend beschäftigte sich der Sozialausschuss mit den Auswirkungen des Behindertengleichstellungsgesetzes, dessen Kernstück die Herstellung barrierefreier Lebensbereiche ist. Dazu gehört nicht nur die Beseitigung räumlicher Barrieren für Rollstuhlfahrer und Gehbehinderte oder die kontrastreiche Gestaltung der Lebensumwelt für Sehbehinderte. Auch die barrierefreie Kommunikation für Blinde und Sehbehinderte in elektronischen Medien wird davon umfasst, ebenso wie die barrierefreie Kommunikation mit Hilfe eines Gebärdendolmetschers oder anderer Kommunikationshilfen für Hör- und Sehbehinderte.

Alle vier Ratsfraktionen waren sich einig, dass zur Umsetzung kein Behindertenbeauftragter einzusetzen ist. Der Sozialausschuss beschloss einstimmig, die Wahrnehmung der örtlichen Belange von Menschen mit Behinderungen selbst zu übernehmen und die kommunale Hauptsatzung entsprechend zu ändern.

Unterschiedliche Auffassungen gab es beim Thema Lernmittelfreiheit (LFG) für Hilfeempfänger nach dem Sozialgesetzbuch II (Harz IV-Empfänger). Während SPD und Bündnis 90/Grüne sich für die Übernahme des Elternanteils nach dem Lernmittelfreiheitsgesetz aussprachen, lehnten CDU und FDP eine entsprechende Satzung ab.

Der Eigenanteil für die jährlich zu beschaffenden Schulbücher beträgt für Grundschüler jährlich maximal 17,74 Euro, für Schüler der Klassen 5 bis 10 von Haupt-, Gesamt-, Realschule und Gymnasium 38,22 Euro pro Jahr und für Schüler ab Klasse 11 maximal 34,79 Euro.

Das noch von der Rot-Grünen Landesregierung überarbeitete LFG und das „Gesetz zur finanziellen Entlastung der Gemeinden“ sieht keine Befreiung von Sozialhilfeempfängern vom Eigenanteil vor. Beigeordneter Marc Lahmann: „In Nettetal gibt es zurzeit nur noch ein sozialhilfeberechtigtes Kind, alle anderen Kinder erhalten Leistungen nach SGB II - und die sind deutlich höher als die Sozialhilfe-Regelsätze.“

Die Verwaltung informierte: SGB II Leistung (Sozialhilfe in Klammern): Monatliche Leistung für ein siebenjähriges Kind 276 Euro (148 Euro), für ein 14-jähriges Kind 276 Euro (192 Euro), für ein 16-jähriges Kind 276 Euro (266 Euro), für ein 18-jähriges Kind 276 Euro (237 Euro).

Bisher hatte die Stadt Nettetal jährlich 8.000 Euro für die Befreiung vom Elternanteil aufzuwenden. Da die ARGE bisher die Zahl und Alter der betreuten Kinder nicht ermitteln konnte (ARGE-Leiter Günther Flüggen: „Die Technik gibt das nicht her. Personell sind wir nicht in der Lage, das per Hand zu tun. Die Regionalstelle sagt uns einfach: Geht nicht! Basta!“), sah die Verwaltung sich auch nicht in der Lage, Auskünfte über die möglichen finanziellen Auswirkungen zu machen. Da nicht nur ehemalige Sozialhilfeempfänger, sondern alle Arbeitslosen SGB II-Leistungen erhalten, könne eine Verdreifachung der Kosten nicht ausgeschlossen werden.

Axel Witzke (CDU): „Das Gesetz ist geändert und die Übernahme von Eigenanteilen gestrichen. Den Schulträgern ist erlaubt, dass der Eigenanteil im Einzelfall auf Antrag ganz oder teilweise entfallen kann, soweit die Beschaffung für die Eltern oder die volljährigen Schüler zu einer besonderen Härte führt.“ Eine Befreiung aller SGB II-Empfänger wäre ungerecht gegenüber dem arbeitenden Menschen, der oft auch nicht mehr als die Leistungsempfänger habe.

Paula Erkens (SPD) erklärte, die SPD habe wenig Verständnis dafür, dass man bei Kindern und Jugendlichen sparen wolle. Ihre Fraktion werde der Ablehnung nicht zustimmen. Marcus Tillmanns (Bündnis 90/Grüne) sprach sich für eine Satzung für Härtefälle aus. „Es besteht im Lande Lernmittelfreiheit, da sollten die Schulbücher auch frei sein.“

Axel Witzke wies darauf hin, dass die ARGE in besonderen Härtefällen Leistungen vorab darlehnsweise gewähren könne. Dass dies auch geschehe, sollte man erwarten: „Wir sollten aber darauf achten, dass die Leute, die arbeiten, sich nicht schlechter stellen als solche, die Leistungen beziehen.“

Dem widersprach Hajo Siemes (fraktionslos): „Das Besserstellungsargument erkenne ich nicht an!“ Paula Werkens (SPD): „Wer wenig hat, für den sind 17,64 Euro oder 38,22 Euro viel Geld.“

Getruda Buscheljong (FDP): „Der Lernmittelanteil ist auch für viele ganz normale Arbeitnehmerhaushalte hart. Da sollten die Harz IV-Empfänger nicht besser gestellt werden. In besonderen Härtefällen sollten Leistungen darlehnsweise gewährt werden, dies kann auch ohne Satzung geschehen.“

Vorsitzender Willi Pollmanns fasste zusammen: „Die Bauchschmerzen, die viele hier im Sozialausschuss haben, die sind nachvollziehbar.“ Beigeordneter Lahmann: „Auch die Stadtkasse ist leer, deshalb hat die Verwaltung den Vorschlag gemacht, keine Satzung mit Sonderregelung zu beschließen.“

Mit sechs Ja-Stimmen von CDU und FDP sowie vier Nein-Stimmen von SPD und Bündnis 90/Grüne empfiehlt der Sozialausschuss dem Hauptausschuss, von der Übernahme des Eigenanteils nach dem Lernmittelfreiheitsgesetz für Empfänger von Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld abzusehen.


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