Nero - mehr als nur ein Hund


Von Wilhelmine Steinberg

Vater als Jäger hegte und pflegte auch immer einen eigenen Hund. Eines Tages kaufte er einen jungen, braun-weißgefleckten, kurzhaarigen Hühnerhund (so hieß, glaube ich, die Rasse).

Seine langen, weichen Schlappohren und sein treuer Hundeblick gaben ihm ein ausgesprochen liebenswertes Aussehen. soweit man das von einem Hund sagen kann. Herr und Hund waren ein Herz und eine Seele. Auf Schritt und Tritt lief Nero, so hieß er, hinter Vater her.

Als er in die Jahre kam, wo aus ihm ein guter Jagdhund werden sollte, richtete Vater ihn selber ab. Interessiert beobachteten wir, wie Vater ihn mit einem ausgestopften Hasenfell das Apportieren beibrachte. Wie er zur Freude feststellte, verhielt Nero sich klug und lernte schnell und gut. Vaters Freunde staunten, wie schnell sich Nero zu einem erstklassigen Jagdhund entwickelte. Spürte er, wenn's auf zur Jagd ging, war er außer Rand und Band.

Nach einem, für Herrn und Hund erfolgreichen Tag, wollte Nero auch den Feierabend mit seinem Herrn verbringen. Zunächst einmal kam er in den Zwinger. Dort randalierte er derart, dass wir ihn laufen ließen. Wie der Blitz sauste er davon. Er wusste genau, wo er seinen Herrn finden würde. In der gemütlichen Kneipe Mehring, auf der oberen Bahn- jetzt Niedieckstraße, ließ Vater den Tag mit seinen Freunden ausklingen. Nero wartete draußen, bis ein Gast entweder herauskam oder hinein wollte. Dann war er auch schon drinnen. Der Wirt Mehring kannte das Spiel, schmunzelte und ließ den treuen Hund ins sogenannte Gesellschaftszimmer, wo er sich zu Füßen Vaters gemütlich hinlegte.


Wilhelmine Steinberg mit "Nero"

Außer meinem Vater war Nero mir am meisten zugetan, weil ich ihm immer die lästigen Zecken abnahm. Rief ich: Nero, Zecken ablesen, legte er sich geduldig der Länge nach hin. Es tat ihm sichtlich gut, von diesen Quälgeistern befreit zu werden.Vater fuhr mal mit dem Zug nach Kaldenkirchen. Heimlich war Nero ihm nachgeschlichen und schaute ihm traurig nach, als sein Herr ihn freundlich heimschickte.

Bei jedem Zug, der von Kaldenkirchen kam, stand Nero erwartungsvoll am Bahnhof, um seinen Herrn abzuholen. Er war so schlau, niemals zu laufen, wenn der Zug aus Grefrath kam. Trafen sie sich endlich, war die Freude beiderseits riesengroß.

Viel zu früh und so plötzlich starb mein Vater. Außer der Familie war es auch der Hund, der am meisten um ihn trauerte. Halt- und ziellos lief er herum, immer auf der Suche nach seinem Herrn. Nachts heulte er den Mond an und ließ sich niemals in den Zwinger sperren. Vaters Jagdfreunde nahmen ihn mit, aber er apportierte nichts, stand nur da und heulte, Er vermisste seinen Herrn so sehr.

Eines Tages stand in der Heimatzeitung Rhein und Maas: Wer ist der Brötchendieb auf der Friedensstraße? Wir ahnten nichts. Bis uns der Zeitungsbote aufklärte. Der Dieb war Nero, der alle Häuser kontrollierte, wo morgens frische Brötchen vor der Tür lagen, um die dann genüsslich aufzufressen. So konnte es nicht weitergehen. Fachleute rieten Mutter, Nero einem Jagdherrn mitzugeben, der ihn von seinem traurigen Leben erlöste. Danach wollte Mutter niemals mehr einen Hund haben.

Viel später, als ich selbst zwei Jungen hatte, erfreute uns eine Hundemischling (vorne Schäferhund - hinten Spitz) aus dem Tierheim viele vergnügte Jahre. Doch das ist wieder eine andere Geschichte!


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