Das Jeloach
Auch die Sassenfelder sahen in der 1902 entstandenen "Gesellschaft Einigkeit" eine Gemeinschaft, die Geselligkeit vor allem zur Karnevalszeit pflegte, denn ihr Vorsitzender war der Fastnachtskönig und sein Stellvertreter der Pritschenmeister.
Zum Neujahr luden die Mitglieder der Gesellschaft Einigkeit alle Bewohner des Ortsteils zum Jeloach ein, d.h. durch diese Handlung war der bevorstehende Fastelovend zur Sache aller Sassenfelder geworden. Die Pritschenmeister fragten bei den unverheirateten Mädchen an, ob sie an den Fastelovendstagen mitmachen wollten und ließen sich als Zeichen des Jawortes eine Schleife an die hölzerne Pritsche binden.
In der Neujahrssitzung war auch entschieden worden, ob ein Fastnachtszug ziehen sollte oder nicht. Wenn man sich dafür entschied, wußte jeder, daß vom Sonntag bis Dienstag täglich ein Umzug durch das ganze Sassenfeld stattfand. Johannes Vosdellen (82 Jahre alt) erinnert sich 1922 als König und dann 20 mal als Paias dabeigewesen zu sein.- " Als Paias mußte ich im Zug auf die Wagen springen, wieder herunter und stundenlang umherrennen." Während der Tage hatte ich auch den Auftrag, die Mädchen abzuholen und heimzubringen. Das war schon eine anstrengende Aufgabe, weil sich das Sassenfeld weit erstreckt und dann mußten die Mägde wegen ihrer Pflichten auf den Höfen (Melken usw.) immer wieder gebracht und geholt werden. In einem Jahr begann für mich der Karneval am Samstagmittag, und erst am Mittwochmorgen kam ich nach Hause. Geschlafen hatte ich, wo es sich auf den Höfen gerade ergeben hatte."
Der Kiependräger, immer ein kräftiger Bursche, und Paiasse suchten wenige Tage vor Fastnacht Häuser und Höfe auf, um Eßbares für das Jeloech am Fastnachtsdienstagabend zu ergattern.
Leo Scheuten war oft dabei: "Das war 1950 bei H. so. Während Pritschenmeister und Kiependräger ordnungsgemäß an der Haustür anklopften, waren die Paiasse um das Haus herumgeschweift, einer zum Küchenfenster eingestiegen, dann die anderen hinter ihm her, und während der Kiependräger sein Überkommenes Sprüchlein hersagte, durchsuchten wir Speicher und Kammern und hängten hier einen Schinken weg, schütteten da einen Futtersack aus."
Inzwischen hatte sich die Hausfrau angehört: "Ich komme vom König von Bayern und suche elfundelfzig Eier. ist das nicht nach Ihrem Sinn, legen Sie den besten Schinken hin. Ist das nicht nach Ihrem Zweck, so geben Sie die beste Seite Speck. Ist auch das nicht nach Ihrem Sinn, so geben Sie die beste Bratwurst hin." Die Bäuerin hatte, um sich nicht lumpen zu lassen" schon ein ansehnliches Stück Bratwurst bereit liegen.
Nun waren die Musiker mit "Rummeldöppe", Schrumbaß, dicker Trommel und "Quetschkommode" an der Reihe. Sie luden mit ihrer Mischung von Lärm und Musik zu einem Tänzchen ein (30). Scheuten fährt fort: " Etwas später holten die Paiasse bei L. aus dem Suppentopf ein Stück Rindfleisch und, obgleich es in siedendem Wasser garkochte, verzehrten wir es auf der Stelle.
Der Heimweg war dann oft für Kiependräger, Paiasse und begleitende Polizisten ein Leidensweg: überall lauerten nämlich beutelustige Bauern. So ist dann einmal ein Kiependräger in höchster Not durch die Nette gewatet. "
Der Korbinhalt, aber auch die Krone des Königs, mit aufgestecktem Reichsapfel und Kreuz blieben dann bis Fastelovendsdienstag, dem eigentlichen Jeloech, heißbegehrtes Diebesgut. Aber wehe dem, der beim Diebstahl gefaßt wurde. Der mußte sich am Dienstagabend rittlings auf einen Stuhl setzen und während das Publikum sang: "Eh Männeken twie, dat Arschloch det öm wiehe" schlug ein Pritschenmeister abwechselnd im Takt einmal auf seine Hand, dann auf den Boden und schließlich auf den verlängerten Rücken des Diebes.
Nun kam es vor, daß er den vorgeschriebenen Takt verfehlte. Dann kam die Staatsgewalt selber auf den Stuhl und bezog einige Streiche, "die nicht von schlechten Eltern" kamen.
In dem bunten Allotria mischten sich untereinander: Richter, Arzt und Apotheker, Koch und Tötenmeister (mit Kanne auf dem Kopf) als Mundschenk, Gendarmen, Polizisten, Paiasse, Pritschenmeister und "Bure", alles unter den Augen des Königs, seines Stellvertreters und Hofstaates.
Inzwischen stürzte man sich heißhungrig auf die Würste, zu denen die Mädchen vorbereitete Kartoffel servierten. "Pech hatte, wer eine Wurst von Arnold Berger aus der Krüßhött erfocht", meinte Johannes Vossdells, "die war nämlich aus Fleisch von einem Schafsbock, knochenhart, also ungenießbar. "
Pünktlich um Mitternacht wurde die Tanzfläche mit Stroh
bestreut, der "Strohtanz" konnte beginnen. Fastelovend war vorbei.
Am nächsten
Morgen holten sich alle in der Kirche "öt Äschkrüz" und das Jeloech ging nach
der Ordnung wieder über in die Gesellschaft Einigkeit.
In den 70er Jahren hat das beschriebene Brauchtum ein Ende gefunden. (31)
Im Dorf, wo es bürgerlicher zuging, nahm sich schon 1845 der Männergesangverein nachweislich des Fastelovend an.
Wir besitzen noch eine Zeitung dieses Vereins aus 1904. Hieraus, dem "Unamtlichen karnevalistischen Organ für Gebildete, Ungebildete und Eingebildete" eine Kostprobe:
Karnevalszüge in der seit Anfang der 60er Jahre dieses Jahrhunderts bekannten Form gab es ganz selten. Der von 1929 fand unter extremer Kälte statt. Damals wäre es fast zu einem großen Unglück gekommen, als man einen Ochsen mit Schnaps getränkt hatte.
In den 30erJahren traten dann die Fidele Heide und das Heideröslein mit Bühnenabenden hervor. In bester Erinnerung ist die schmissige Revue vom "Samt und Seidenland".
30) Rummeldöppe - Topf mit darübergezogenem Ziegenfell, darin ein Stück Holz.
Schrumbaß (auch Bumbaß) - ein etwa 2 m langer Holzstab mit einem von Spitze bis Boden vorgespanntem Draht und dazwischengepreßter Schweineblase. Man strich über den so gespannten Draht mit einem Holz. Am oberen Ende des Schrumbasses waren Schellen oder Deckel befestigt, die beim Aufstoßen ein lärmendes Geräusch erzeugten.
Übersicht: 1000 Jahre Loberich
Geschichte(n) - auch aus anderen Quellen.