1000 Jahre Lobberich

Geschichte und ihre Geschichten -
ein Leseheft für Schulen und Familien


Der Umbruch beginnt (1789-1812)

14. Juli 1789: Seit den frühen Morgenstunden des heutigen Tages gleicht Paris einem Hexenkessel. Wer kstätten und Läden sind geschlossen. In den Straßen strö­ men die Menschen zusammen. Die Massen sind erregt und fordern Freiheit. Franzosen, Männer und Frauen, allen voran die Marktfrauen, stürmen das Staatsgefängnis (Bastille). Sie machen die Wachmannschaft nieder. Der Kampf für Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit hat begonnen. Die Trikolore blau, weiß, rot wird zur Flagge der Revolution. Alle Vorrechte des Adels und der Geistlichkeit werden abgeschafft. Rechte, die für alle ohne Unterschied gelten, sogenannte Menschenrechte,werden verkündet.

Mit den Parolen „ Krieg den 'Palästen, Friede den Hütten und Befreiung aller Unterdrückten" drangen französische Truppen im Dezember 1792 zum ersten Mal bis in unsere Heimat vor. Als sie dann im Oktober 1794 erneut einrückten, war die Bevölkerung alles andere als begeistert, denn die siegreichen Soldaten plünderten, und die Armee erzwang von den Gemeinden Ablieferungen, die mit Papiergeld bezahlt wurden, das schon nach wenigen Monaten seinen Wert verlor. Dazu kam 1795 eine entsetzliche Hungersnot. Um nun für die Armee Getreide, Schlachtvieh und Kleidungsstücke aufzubringen, verhafteten die Franzosen aus jedem Bezirk angesehene Bürger, die als Geisel zur Erpressung der Mitbürger ins Gefängnis kamen. Solches widerfuhr auch dem Lobbericher Heinrich Heythausen, der in Köln festgesetzt wurde. Ordnung kehrte ein, als die Franzosen am 4.1 1 .1797 das ganze linksrheinische Gebiet „auf ewig ", wie es damals hieß, ihrem Staat eingliederten.

Damals hoben sie die alte Feudalordnung auf: Wie in Frankreich beseitigten sie alle gutsherrlichen Rechte, u. a. auch die drückenden Zehntabgaben. Die Verwaltung wurde neugeordnet. Lobberich erhielt einen Maire (Bürgermeister), einen Adjoint (Vertreter) und einen Munizipalrat, der aus 10 Mitgliedern bestand. (17) An die Stelle der Schöffengerichte trat das Friedensgericht (für Lobberich in Wachtendonk) . Zünfte und Innungen verschwanden und die Gewerbefreiheit wurde verkündet. Die Lobbericher hatten bis zum Einmarsch der Franzosen 2 Zollgrenzen vor der Tür, einmal gegenüber Breyell zum Jülicherland, dann nach Süchteln zum kurkölnischen Gebiet hin. Durch die Neuordnung entfielen diese Abgrenzungen mit den damit verbundenen Lasten . Die Franzosen brachten das Dezimalsystem, bauten Straßen „von Kirchturm zu Kirchturm ", die nicht nur den Truppen, son­ dern auch den Handelsleuten zugute kamen. Doch gab es genug Maßnahmen, die auf die Ablehnung bei den Rheinländern stießen: So hatten die neuen Machthaber schon 1798 alle öffentlichen Gottesdienste verboten; ja sogar Wallfahrten, Prozessionen und Leichenzüge wurden untersagt. Wegkreuze und Kreuze auf Kirchhöfen und Türmen soll­ ten verschwinden. Damals nahmen viele Lobbericher diese Zeichen des Glaubens mit nach Hause. Das kirchenfeindliche Frankreich der Revolution hob 1802 alle Klöster auf . Alle kirchlichen Güter wurden beschlagnahmt und verkauft. Damit endete auch die Lobbericher Zehnt- und Patronatsbindung an das Prämonstratenser-Kloster in Knechtsteden.

Napoleon wußte genau, daß durch die Feindschaft gegenüber der Kirche die Revolution inner- und außerhalb Frankreichs viele Anhänger verloren hatte. So schloß er mit der katholischen Kirche einen Vertrag (Konkordat). Damals kam Lobberich zur neugegründeten Diözese Aachen. Die Priester wurden vom Staat besoldet. Der Kaiser (ab 1804) förderte die Religion, wenn er auch die alten Besitzverhältnisse nicht wiederherstellte. Durch das berühmte Gesetzbuch „Code Na­ poleon" wurde u. a. auch die sogenannte Zivilehe und die Pflicht, jede personelle Veränderung beim Bürgermeister zu melden, eingeführt. Wurde ein Kind geboren, so mußte man in Begleitung von 2 Zeugen den neuen Erdenbürger anmelden. Man könnte noch viele Einzelheiten nennen, die belegen, daß die Franzosen Grundlagen für eine neue Ordnung legten. Doch 1812 sank Napoleons Stern durch Niederlagen im Winterkrieg gegen Rußland, und 1814 zogen die letzten Franzosen aus unserer Heimat ab. Die Preußen kamen wieder und waren klug genug, das meiste von dem, was die Franzosen eingeführt hatten, bestehen zu lassen.

Franzosenhut


17) Feudalordnung : die bisherige Ordnung, durch die Abhängigkeiten von oben nach unten und die besondere Stellung des Adels gesichert wurde. Zu dieser Ordnung gehörten auch die Zünfte und Innungen, in denen die Handwerker nicht nur beruflichen Sachverstand förderten, sondern auch das Recht wahrnahmen, für alle Menschen zu sprechen, die ein bestimmtes Handwerk ausübten. Durch die Gewerbefreiheit konnte grundsätzlich jeder, der es wollte, ein Gewerbe ausüben .


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Geschichte(n) - auch aus anderen Quellen.