Die Geschichte
der ROKAL-TT Modelleisenbahn

von Manfred Albersmann
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Ein neues Team findet sich

Titel des Buches

Ein neues Team findet sich

Eugen Engelhardt war gegangen. Fast acht Wochen dauerte die damals unbefriedigende Situation in der Eisenbahnabteilung. Schließlich bat Heinz Thieme Paul Schönfeld um eine Unterredung über die Lage der Eisenbahn. An diesem Gespräch war auch Siegfried Klaumünzner beteiligt, von dem Paul Schönfeld wusste, dass er ein hervorragender Schnittebauer und Entwicklungsmechaniker war. Schönfeld hörte sich die Informationen über den Entwicklungsstand der Bahn und über die Projekte an, die reif waren für eine Realisierung. Die Argumente mussten ihn wohl überzeugt haben, denn plötzlich ging es unter der Regie von Paul Schönfeld weiter.

Etwa zur gleichen Zeit suchte der Prokurist der Firma ROKAL - Clemens - eine Chefsekretärin. Er suchte und fand schließlich seine ehemalige Sekretärin Lotte Gothe, die mit ihrem Mann Otto in Frankreich wohnte. Lotte Gothe kam mit ihrem Mann nach Lobberich, um die Stelle der Chefsekretärin einzunehmen. Ihr Mann Otto, 37 Jahre, ein Elektroingenieur bekam ebenfalls eine Stelle in der Firma, er kam zur Eisenbahn und wurde so Nachfolger von Eugen Engelhardt als technischer Leiter der Abteilung. Für die Modellbahn von Vorteil war, dass im Vorzimmer von Robert Kahrmann Frau Gothe saß. Um Neuheiten oder Änderungen bei Robert Kahrmann vorzustellen und letztlich genehmigt zu bekommen, war es wichtig, dass man eine "günstige Stimmungslage" des Chefs "erwischte"; dies konnte die Chefsekretärin natürlich am besten beurteilen.

Zusammen mit Heinz Thieme (Konstruktion/techn. Büro), Siegfried Klaumünzner (Entwicklung und Schulung von Geschäftsfreunden, darüber hinaus bis 1969 verantwortlich für die Erstellung und Bedienung der Messeanlagen, sowie für technische Fragen am Messestand), Ludwig Bierl (Fertigung) und Kurt Hey (Lokfertigung), Fritz Emme (kaufm. Leitung) war ein Team vorhanden, dass der ROKAL-Modellbahn aus den Geburtswehen half. Otto Gothe war der geborene Erfinder, der morgens mit immer neuen Ideen seine Mitarbeiter überraschte. Erfinder finden oft kein Ende: Seine Mitarbeiter mussten ihn oft bremsen, um letztlich nur "das Beste" produzieren zu können.

Patentschrift
Patentschrift für Otto Gothe

Otto Gothe und Heinz Thieme wurden in das Konstruktionsbüro von Paul Schönfeld integriert. Dort arbeiteten bereits Karl Giskes und Hans Grutesen für den Vergaserbau und Josef Acker und Heinz Hauertz für den Armaturenbereich, sowie Franz Meier und Hans Blauen für die Vorrichtungen und spanlose Verformung. Während Otto Gothe sich um die elektrischen Teile - Trafo, Regler, E-Weichen - kümmerte, fertigte Heinz Thieme die Konstruktionszeichnungen für die Güterwagen "Essen" und "Kassel" sowie den dazugehörigen Tafelwagen an. Drehschemelwagen und zweiachsige Kesselwagen kamen später hinzu.

Mitarbeiter
Mitarbeiter des technischen Büros, 1953
Georg Daase, Martin Fretzen, Franz Meyer, Karl Giskes, Hans Blauen, Jakob Gehlen,
Dipl. Ing Margot Schiedath, Hans Grutesen, Heinz Hauertz und Josef Acker

Hin und wieder traf man sich sonntags morgens im Büro von Paul Schönfeld. Während der normalen Arbeitszeit hatte er für die Modellbahn keine Zeit. Durch diese "Sonntagsgespräche" bekamen die "Eisenbahner" Zugang zum Werkzeugbau und zur Gießerei. Darüber hinaus stand den Mitarbeitern das Formenkonstruktionsbüro (Dipl. Ing. Margot Schiedath und Herr Schlomach, der nach dem Tod von Paul Schönfeld Leiter des Vergaserbaues wurde) offen. Jetzt konnten die Formen gezeichnet und im Werkzeugbau erstellt werden. Im Werkzeugbau wurden die Formen hauptsächlich von dem Graveur Heinz Rohr bearbeitet. Heinz Rohr war ein "Künstler", dem die Eisenbahn die Modelltreue der Loks und der Wagen zu verdanken hatte. Unter der Bestellnummer B 1002 wurde neben der Schlepptenderlok B 1001 / B 1003 auch eine Tenderlok konstruiert, die auf dem Lokchassis (2 Treibräder) der B1001/1003 aufgebaut war. Dieses Modell hatte aber ebenfalls kein Vorbild. Da sich mittlerweile in der Branche die Anlehnung an Vorbilder durchzusetzen begann, wurde nach einer entsprechend geeigneten Lok-Baureihe (BR) gesucht und in der BR 71 auch gefunden (2 Treibachsen und vordere und hintere Laufachse (1'B'1). Das Ursprungsmodell B 1002 wurde nicht gebaut; die BR 71 bekam die offene Bestellnummer B 1002. Zur Auslieferung kam die B 1002 bereits Anfang 1952, also vor der Nürnberger Messe.

B1002
Modell der konstruierten, aber nicht gebauten B 1002

Die gleiche Lok gab es damals auch als TRIX Modell in der Nenngröße H0. Die 71er blieb immerhin bis 1959 im Programm. Mit ihrer stark vereinfachten Steuerung, die nur aus einer Treibstange bestand, war sie sicherlich nicht das Glanzstück eines Modellbahn-Programms, heute ist sie jedoch umso begehrter.

Im Niederrheinischen Tageblatt vom 7.10. 1950 ist zu lesen: "In Lobberich nun auch Güterwagen-Produktion" In diesem Artikel ist u. a. zu lesen, dass bereits im Jahre 1950 das Ausland großes Interesse an der ROKAL-Modellbahn zeigte. Nachfragen aus Argentinien, Uruguay, Venezuela, Australien, Nordafrika, Ägypten, Malta, Schweden, Norwegen, Dänemark, USA, England, Belgien, Frankreich, Holland. Die halbe Welt wurde aufgezählt, die an der kleinen ROKAL-D-Zug-Lok und den schnittigen D-Zugwagen interessiert war. Die Importeure schickten lange, freundliche und bisweilen auch ungeduldige Briefe. Dem großen Geschäft stand eigentlich nichts im Wege, wenn es keine Import- und Exportlizenzen gäbe. Fritz Emme erzählte, dass diese bürokratischen Schlagbäume nicht so ohne weiteres überwunden werden konnten. Die Sorgen, wie sich die Eisenbahn verkaufte, überließen die Konstrukteure, Techniker und all den anderen, die an den kleinen Lokomotiven, D-Zugwagen, Schienensträngen, Weichen und Elektro-Motoren bauten, getrost den Kaufleuten, die manchmal schier verzweifelten, sich durch das Dickicht der Exportbestimmungen durchzukämpfen.

Der Zeitpunkt der Nürnberger Messe war der Fixpunkt, neue Modelle bis zur Produktionsreife so zu entwickeln, dass sie unmittelbar nach der Messe lieferbar waren. Dass dies wichtig war, geht immer wieder aus den Artikeln in der Modellbahnzeitschrift "Miniaturbahnen" hervor, die die "Nichtlieferungsbereitschaft" bei Konkurrenzunternehmen immer wieder bemängelte und bei ROKAL lobte. Alle Messen stellten seinerzeit für die Mitarbeiter erhöhten Arbeitseinsatz dar. Messe-Modellbahnanlagen mussten gebaut und die Neuentwicklungen besonders hervorgehoben werden. Dies schaffte man nicht in der normalen Arbeitszeit, zumal Ruhe und manchmal auch Abgeschiedenheit vonnöten waren. Die Messeanlagen waren immer etwas Besonderes und boten für die Mitarbeiter eine willkommene Abwechslung von der täglichen Arbeit. Außerdem wurde mit erheblichem Ehrgeiz versucht, den anderen Modellbahnkonkurrenten technisch und gestalterisch überlegen zu sein.

G 203
G 203
G207
G 207
G202
G 202,
G213
G 213

Bereits auf der 2. Nürnberger Messe 1951 ist in der später führenden deutschen Modellbahnzeitschrift "Miniaturbahnen" zu lesen, dass "in diesem Jahr die Firma ROKAL, Guß- und Armaturenwerk GmbH, Lobberich/Rhld. nicht vergessen werden darf, die mit ihren Neuerscheinungen (3 Güterwagen-Modelle = offener Güterwagen "Essen" aus Metalldruckguss, LüP 74 mm, Oberteil braun mit Beschriftung: ESSEN 32852 O M", Gedeckter Güterwagen "Kassel", Metalldruckguss, LüP 74 mm, Oberteil braun, Beschriftung "Kassel 86938 G R", Langholzwagen (2 gekoppelte Tafelwagen mit Drehschemel, mit Brettern) - 2 Monate später kam bereits der Kesselwagen, LüP 74 mm, Metall-Druckguss, Aufbau gelb mit Aufschrift "SHELL und SHELL-Signet", rechts daneben, in rot als Abziehbild (geprägte Aufschrift rechts am Kessel "Köln und RIV" eingerahmt, "KÖLN 579590", Leiter und Laufsteg in Blech) heraus - die Aufmerksamkeit der Modellbahner auf ihre 12-mm-Bahn lenkte. ROKAL hat die Forderungen der Zeit erkannt und will vorbildgetreuer werden, was ihr mit den neuen Super-Wagen restlos gelungen ist. Diese wirklich einzigartigen Neuschöpfungen vermögen tatsächlich einen eingefleischten H0-Mann wankend machen und werden sicher viele Freunde gewinnen, besonders dann, wenn die Firma ROKAL die versprochene 12-mm-Lok in Art und Qualität der jetzigen Güterwagen schaffen sollte.
Weitgehend unbekannt ist, dass der erste konstruierte zweiachsige Kesselwagen weiß war und das GASOLIN Zeichen trug. Dieses Modell wurde erst ein halbes Jahr nach dem SHELL-Kesselwagen ins Sortiment aufgenommen.

Güterzug
Güterzug-Packung L 10005

Die auf der Messe vorgestellten Güterwagentypen waren eine gute Detaillierung der aus Metall gefertigten Aufbauten gemeinsam, die viele Modellbahner lobten. Als Grundlage für die Zeichnungen waren Fotos von Carl Bellingrodt, Wuppertal-Barmen, der über eine sehr umfangreiche Fotosammlung von DB-Fahrzeugen verfügte (Ende 1950: 21.000 Negative).

Im Jahre 1951 stellte Robert Kahrmann den Ingenieur Hans Thorey aus Göppingen, der MÄRKLIN Stadt, ein Fachmann auf dem Gebiet des Modellbahnwesens, als freien Mitarbeiter ein. Thorey kam alle 6 - 8 Wochen für jeweils 1 Woche als freier Mitarbeiter nach Lobberich. Zwischen Thorey und Gothe gab es häufig konträre Diskussionen, die zwar den Fortschritt der Bahn befruchteten, aber auch das "Betriebsklima" in der Abteilung belasteten. Vielleicht war auch mitentscheidend für das dennoch gute Klima, dass mit Ausnahme des "Fränkischen Bayern" Ludwig Bierl alle anderen aus "Mitteldeutschland" kamen (Klaumünzner aus Oberschema im Erzgebirge, Hey aus Gotha, Thieme aus Chemnitz, Gothe aus Nordhausen in Thüringen).

Kontrollzettel
Kontrollzettel der Produktion vom 17. Oktober 1951


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