Die Geschichte
der ROKAL-TT Modelleisenbahn

von Manfred Albersmann
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Wie alles begann

Titel des Buches

Um sein Modell zu realisieren, brauchte Engelhardt "einige Spritzgussteile aus Zink". Die "paar Groschen" zum Erwerb, wollten ihm seine Großeltern zur Verfügung stellen, doch wo gab es ein Unternehmen mit Formenbau und Spritzgussmaschinen? Über dieses Problem diskutierte er einmal mit einem Vertreter der Firma Driescher, einem Herrn Lüpge, der eine Firma Kahrmann in Lobberich am Niederrhein kannte, die u. a. Sanitärarmaturen aus Zinkspritzguss herstellte. Genau das war es, was Engelhardt suchte. So kam man überein, diese Firma einmal zu besuchen, um die Idee vom Bau einer Spielzeug-Bahn vorzustellen, um so "finanzielle Hilfe" zur Verwirklichung der Idee zu bekommen.

So empfing im Mai 1946 Robert Kahrmann Eugen Engelhardt und hörte sich seine Idee an. Engelhardt holte dann seine Modell-Lok herein, platzierte das Gleisbrett auf einem Bürotisch, steckte den Stecker in eine Steckdose und ließ seine Lok "tapfer durch den Kreis laufen". Robert Kahrmann folgte dem Kreislauf und war beeindruckt. Er nickte und verkündete: "Herr Engelhardt, die bauen wir zusammen, wenn sie wollen!" Engelhardt war gerührt und glücklich zugleich.

Handzeichnung
Handzeichnung von Eugen Engelhardt 1947 im Maßstab 1:1

Von diesem Zeitpunkt an fuhr Engelhardt, zunächst zwei bis drei mal die Woche, später dann jeden Tag vom Geneickener Bahnhof (in der Nähe von Mönchengladbach) bis nach Breyell - einem 2 km entfernten Nachbarort von Lobberich und ging dann noch einmal eine 3/4 Stunde zu Fuß bis zum Werksgelände der Firma Kahrmann. Das Modell nahm immer mehr Gestalt eines Spielzeug-Bähnchens an.

Jetzt konnte Engelhardt sein "Bähnchen" - wie er es immer nannte - planen und konstruieren, um es industriell fertigen zu können. Das Äußere der Lok entlehnte er einer Märklin-Dampflok aus der ersten Packung nach dem Krieg - absolut noch keine Modell-Lokomotive - schließlich sollte es ja eine Spielzeug-Eisenbahn sein. Ergattert hatte er dieses Vorbild bei "Tietz" (später "Kaufhof") in Mönchengladbach. Das Geld, oder besser gesagt "Metallscheine" dazu, bekam er von Robert Kahrmann.

In diesem Zusammenhang ist interessant, dass die zweiachsige Dampflok der Mignon-Bahn der Schwarzwälder Firma Staiger aus St. Georgen - eine Zweischienen-Zweileiter-Wechselstrom-Bahn - (10 mm) auffällige Ähnlichkeiten mit der Engelhardt'schen Konstruktion aufweist. Vermutlich ist jedoch mit der vorerwähnten Märklin-Lok, die Engelhardt zum Vorbild nahm, das Modell der legendären Stromlinien-Dampflok "Commodore Vanderbilt" der New-York-Railroad gemeint, die in den Nenngrößen 0 und I vor dem Krieg gebaut worden war, wenngleich das Modell der Mignon-Bahn der ROKAL-Lok B 1001 sehr ähnlich ist (s. Vergleich weiter unten).

Durch die Entwicklungsgeschichte der ersten Jahre wurden mehrere technische Lösungen gefunden, die gegenüber den bestehenden Produktionen von MÄRKLIN und TRIX eine Neuheit darstellten und das Nachahmen zumindest blockieren sollte. Die Patentanmeldungen im In- und Ausland geben hiervon Zeugnis:

  1. Bürsteneinrichtung (Deutsche Gebrauchsmuster Nr. 1 617 388 vom 1.10.1948)
  2. Kupplungs- und Entkupplungseinrichtung für Spielzeug- oder Modelleisenbahnen, Patent Nr. 827 613 vom 8. 7.1949
  3. Gleissystem (Patent Nr. 810 724 vom 14. 4. 1949)
  4. Die Konstruktion des Lok-Chassis, das in zwei kongruente Zinkspritzgussteile zerteilt war, in denen Laufachsen, die auch durch das Feldpaket des Motors gingen, gelagert waren, wurde außer in Deutschland als Gebrauchsmuster mit der Nummer 1 619 156 vom Januar 1951 auch in den USA und Frankreich patentiert.

Patentschrift

Robert Kahrmann war anfänglich - gerade in 1946 - ob der sprudelnden Neuerkenntnissen von Engelhardt skeptisch. Er beauftragte deshalb einen Patentanwalt, ein Gutachten über die ersten Patentanmeldungen auszuarbeiten. Patentanwalt Karl A. Brose, Diplom-Bergingenieur aus Moers kam am 26.11.1946 zu dem Ergebnis: "Ich bin überzeugt, dass ein Eingriff in die Schutzrechte Dritter bei der Verwirklichung des Engelhardt-Systems nicht zu befürchten ist. Karl A. Brose wurde für Engelhardt ein guter Berater in patentrechtlicher Hinsicht.

Am Anfang war Engelhardt mehr oder weniger in Konstruktion und Planung auf sich allein gestellt. Dipl. Ing. Fritz Emme kam Mitte 1947 zu Engelhardts Unterstützung. Er erstellte die ersten Originalzeichnungen. Siegfried Klaumünzner, Ernst Zitzen und Karl Rommelrath (bereits 1946) waren schon vorher für Engelhardt tätig und zwar als Entwicklungsmechaniker und Werkzeugmacher. Am 5.8.1948 kam Heinz Thieme, damals 28-jährig, als Konstruktionszeichner zum Team. Er war in Chemnitz geboren und kam direkt aus englischer Kriegsgefangenschaft, in der er ein technisches Studium begonnen hatte. Mitte 1948 kam Kurt Hey aus franz. Kriegsgefangenschaft (Korsika). Er wurde zunächst für die Herrichtung der zukünftigen Montagehalle in einer großen Garage eingesetzt. Außerdem war er für die Einrichtung und Installation einer Farbspritzkabine zuständig.

Am 1. Januar 1948 wurde die Robert Kahrmann & Co durch Vertrag vom 6.4.1948 in eine Kommanditgesellschaft umgewandelt (UR-NR. 424/48 des Notars Dr. Hamacher, Mönchengladbach). Persönlich haftender Gesellschafter wurde Robert Kahrmann, Kommanditisten zu gleichen Teilen seine Ehefrau Berna Kahrmann geb. Deuters sowie die drei Töchter (Ilse Rameckers, Ursula Braun und Helga Grodde).

Loks im Vergleich
MÄRKLIN - ROKAL - MIGNON-Lok im Vergleich. Foto: Hartwig Harms

Mitte 1948 war die Eisenbahnabteilung in einem lichten Raum von ca. 40 qm untergebracht. Dort arbeiteten Eugen Engelhardt, Heinz Thieme, Siegfried Klaumünzner, Ernst Zitzen, Gerd Seller, Otto Bonus und Heinz Rex und zwei weitere Mitarbeiter an der Entwicklung der Bahn und an der Herstellung der Werkzeuge (Schnitte und Vorrichtungen). Die Formen wurden im Werkzeugbau hergestellt, da die Entwicklungsabteilung über keine Fräsmaschine verfügte. Das Lokgehäuse und das Chassis der B 1001 waren als Spritzgussteil bereits seit Ende 1947 vorhanden.

Anlage aus dem ersten ROKAL-Faltblatt von 1948
Anlage aus dem ersten ROKAL-Faltblatt von 1948

Kommen wir zum ersten D-Zug-Wagen, auch dafür brauchte Engelhardt ein Vorbild - maßstabgerechte Abbildungen waren damals nirgendwo aufzutreiben. Auch hier wusste Engelhardt sich zu helfen. 1946 fuhr der Nord-Süd-Express der Alliierten (für die "Besiegten" nicht zugelassen) von Mönchengladbach aus kommend über den Bahnhof Geneiken nach Köln bei ihm zu Hause an der Schranke mit gemäßigtem Tempo vorbei. Dies geschah täglich gegen 16 Uhr. Da rannte Engelhardt mit Skizzenblock bewaffnet des Öfteren hin, zählte die Fenster, malte die Gestalt des Waggons aufs Papier, bis das Bild für die Druckgussform fertig war. (Ich malte die Gestalt der Waggons aufs Papier - vorne und hinten - untereinander waren sie sogar verschieden - bis ich das Bild für meine Druckgussform fertig hatte - spaßig, was? - noch kein Modell des großen Bruders).

Die Druckgussformen für die D-Wagen und Packwagen entstanden im Sommer 1948. Die ersten Abgüsse waren unvollständig, da das Material durch die dünnen Wände schlecht floss. Durch Verstärkung der Wände und Änderung des Angusses konnten beide Oberteile in die Fertigung gehen. Das Gehäuse für den Controller und der dazugehörige Griff aus Zinkdruckguss bereiteten dagegen weniger Schwierigkeiten. Das Anfertigen der Gleisformen war das nächste Problem. Für die Gleisfertigung aus Bakelit (Phenol-Kunstharz aus Steinkohlenteer) wurden nur drei Pressformen benötigt (1/1 gerade mit 220mm Länge und 1/1 gebogen 572mm Ø bzw. 660mm Ø). Die weitere Unterteilung in halbe und viertel Gleiskörper erfolgte bei ROKAL im Betrieb maschinell. Der Kunde konnte dies jedoch auch in Eigenarbeit mit einer Laubsäge schaffen. Engelhardt hatte in Erfahrung gebracht, dass eine Krefelder Firma ein Verfahren entwickelt hatte, wonach man mit einer Positivform (Pfaffen) die Schwellenseite in weichem Stahl unter einer Hydraulik-Presse drücken konnte. Nach heimischer Anfertigung der zweiten Formhälfte und dem Härten konnte die Fertigung aufgenommen werden. Dies geschah im November 1948 im Sauerland bei der Firma Kronenberg & Koop in Kierspe. Das große Problem bei der Erstellung der Formen für die Gleise und vor allem für die Weichen waren die Fräsarbeiten im eigenen Betrieb. Die Firma ROKAL besaß seinerzeit nur eine Universalfräsmaschine, eine sog. FP1 von der Firma Deckel in München. Die mit ROKAL befreundete Firma Wildfang in Gelsenkirchen war durch einen Brand teilweise stillgelegt worden.

Bakelit-Schienen der 1. Generation von 1948 bis 1954
Bakelit-Schienen der 1. Generation von 1948 bis 1954

ROKAL half der Firma Wildfang und stellte die FP1 nachts zur Verfügung, damit ein Mitarbeiter dieser Firma (Herr Nehm) die Druckgussform für ein Kinderwagenrad erstellen konnte. Engelhardt und seine Mitarbeiter hatten Glück, dass dieser Kollege mehrere Monate nach Beendigung seiner Arbeit Schienen- und Weichenformen für die ROKALer fräste, allerdings nur nachts. Seinerzeit wurden noch keine Formenzeichnungen (negative Darstellung) erstellt. Die Fräsmaße wurden aus der normalen Zeichnung entnommen. Heinz Thieme zeichnete nachmittags und stand nachts neben Herrn Nehm an der Fräsmaschine und suchte die erforderlichen Maße aus der Zeichnung heraus, damit das Fräsen schneller abgewickelt werden konnte. Dass diese Doppelbelastung an die Substanz der betroffenen Männer ging, war keine Frage.

Fahrgeräte und Gleise der 1. Generation von 1948 - 1955
Fahrgeräte und Gleise der 1. Generation von 1948 - 1955

Nach neuesten Recherchen von Hartwig Harms, einem exzellenten ROKAL-Kenner aus Hamburg, hat es vor dem Bakelit-Gleis der 1. Generation eine „Urserie“ gegeben (s.a. TT-Kurier 9/2006). Selbst in den persönlichen Unterlagen Engelhardts wird dieses Bakelit-Vollprofilgleis, das mit seinen Nachfolgern nicht kompatibel ist, nicht erwähnt. Die 1/1 geraden Gleise sind 175 mm lang und acht 1/1 gebogene Gleise bilden einen Kreisbogen mit einem Durchmesser von etwa 460 mm. Auf der Unterseite sind die Produktions-Seriennummern ab 1400 für gerade und 1500 für gebogene Gleise eingeprägt.

Bakelit-Schienen der Urserie
Bakelit-Schienen der Urserie

Die Steckverbindung der Gleise erfolgt über Schienenschuhe. Zusätzlich befindet sich unterhalb der Schienenschuhe seitlich versetzt eine Feder. Beim Zusammenstecken greift jeweils eine Feder in einen Widerhaken der anderen Schiene. Somit werden die Gleise über zwei Federn verbunden, was einen besseren Halt der Gleisstücke und eine sichere Stromübertragung gewährleistet. Der Gleisstecker für die Stromzuführung wird zwischen den Schwellen unter die Schienen gesteckt. Dieser sind mit einzelnen Metallklammern auf dem Gleisbett mit ausgeprägten Schwellen befestigt. Da es kaum schriftliche Unterlagen wie Kataloge aus dieser Anfangszeit gibt, ist es fraglich, ob es weitere Produkte dieser Urserie gegeben hat.

Vergleich der Stecksysteme
Vergleich der Stecksysteme


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