Kampf um letzte Lobbericher Gaslaternen

Historiker Prof. Dr. Wessel betont: "Lobbericher Gaslaternen gehören zum Weltkulturerbe"

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Donnerstag, 16. März 2023

Lobberich (hk). Auf Einladung des Heimatvereins Lobberland referierte im Hotel Stadl Lobberich der Historiker Wikilink Prof. Dr. Horst A. Wessel aus Hilden über "Gas: Die erste moderne Energie. Ihre fast vergessene technische, wirtschaftliche und soziale Bedeutung".

Der Vortrag erfolgte vor dem Hintergrund, dass der Verein Bestrebungen vermutet, die letzten Gaslaternen im Stadtteil Lobberich völlig abzureißen, wogegen sich schon 2017 und 2020 Proteste aus der Bevölkerung erhoben. Hierbei handelt es sich um insgesamt 17 Gaslaternen, die sich überwiegend am Wikilink Windmühlenweg und an der Wikilink Mühlenstraße befinden. Neben interessierten Bürgern ließen sich auch Mitglieder der Parteien des Stadtrates informieren.

Horst A. Wessel und Ralf Schmeink
Prof. Dr. Wessel (links) und Ralf Schmeink beim Vortrag im Hotel Stadt Lobberich (Foto: Koch)

In seinem Vortrag stellte Prof. Wessel die Entwicklung der Beleuchtung dar:
Über Kienspan und Kerzen zu Rüböl-Laternen (um 1810) und Petroleumlampen zum Gas (um 1840).

Wie er weiter referierte, konnte Lobberich im 19. Jahrhundert durch das Aufkommen der Industrie im Ort eine massive Steigerung der Bevölkerungszahlen verzeichnen. Für diese industrielle Produktion wurden teure Maschinen benötigt. Um diese effizient nutzen zu können, ließ er ein Gaswerk für die Beleuchtung einer Werkstätte errichten. "Dadurch wurde nun ein Schichtbetrieb möglich", so Wessel.
Dieses Angebot unterbreitete Wikilink Julius Niedieck auch der Gemeinde, sodass bereits 1887 70 Gaslaternen Lobberichs Straßen beleuchteten. 1923 errichtete die Gemeinde ein eigenes Gaswerk und konnte damit gute Gewinne erwirtschaften.

"Städte mit eigenem Gas konnten ihren Bürgern etwas bieten. Das war das Zeichen für Fortschritt", betonte Wessel. Dieses eigene Gaswerk wurde bis in die 1960-er Jahre genutzt. Zunächst wurde Kokereigas, seit 1968 Erdgas verwendet, das zunächst zu extrem günstigen Konditionen geliefert wurde, nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine jedoch vorübergehend extrem teuer war.

Sein Resümee: Was hätte Lobberich für eine Entwicklung genommen ohne Gas?

  1. Die Industrie wäre nicht so groß geworden, da ohne Gas kein Schichtbetrieb möglich gewesen wäre.
  2. Der Ort Lobberich hätte nie die heutige Größe erreicht und hätte damit nicht den Status einer Stadt erhalten.

"Mit dem Gaslicht ist Lobberich groß geworden", so Wessel. Die eigene Leuchtengeschichte sollte daher im Ort erhalten bleiben.

In der anschließenden Diskussionsrunde ging es lebhaft um die Zukunft des Gaslichtes in Lobberich.
Vorschläge z.B. des Wikilink VVV Lobberich, die Gaslaternen z.B. in der Innenstadt oder an einem Museum aufzubauen, erteilte der Historiker eine Absage: "Jedes Denkmal sollte dort stehen, wo es bereits steht. Das Besondere an Lobberich und seinem Alleinstellungsmerkmal sind vorhandene Straßen, die immer mit Gas beleuchtet wurden. Es gibt keine zweite Kleinstadt auf der Welt, die eine solche Straße besitzt."

Wie berichtet wurde, ist man in Düsseldorf, wo noch 14.000 Gaslaternen stehen, entschlossen, den Status des UNESCO-Weltkulturerbes zu erreichen. Vor allem warnte man vor dem Umrüsten auf elektrisches Licht. Wenn kein Gas mehr genutzt wird, ist zu erwarten, dass Feuchtigkeit in den bauartbedingt offenen Laternen diese korrodieren lässt.

Der Initiator dieses Abends, Ralf Schmeink, ging auch auf die Argumente gegen einen öffentlichen Gaslichtbetrieb ein.

Für die Natur sei es z.B. günstig, dass vom Gaslicht keine Insekten angezogen werden.

Das Argument "Weg vom Gas - Vermeidung von CO2-Ausstoß" sei bei einem so geringen Verbrauch wie hier vernachlässigbar. Für den sechsstelligen Euro-Betrag, der für den Abriss erforderlich wäre, könnte man den CO2-Ausstoß über Jahrzehnte kompensieren. "Etwas wegzuschmeißen, das funktioniert, und dann für teures Geld etwas Neues zu kaufen, ist das Gegenteil von Nachhaltigkeit", so Schmeink. Leider seien die Laternen wegen der Maxime "weg vom Gas" womöglich zu einem Symbol geworden, an dem sich öffentlichkeitswirksam "Zeichen setzen" lassen. Ihr Abriss falle ins Auge, aber nicht ins Gewicht.

Die anwendenden Anwohner der beiden betroffenen Straßen zeigten sich zuversichtlich, Einigkeit für einen Bürgerantrag herstellen zu können, damit ihre Straße den Charme behält, seit 135 Jahren ohne Unterbrechung mit Gaslaternen ausgeleuchtet zu werden. "Wir brauchen weder LED-Lampen noch versiegelte Bürgersteige", so Dagmar Drabben vom Wikilink Windmühlenweg. "Die Sicherheit unserer Straße leidet an den Rasern, die die Ampeln der Freiheitstraße umfahren, nicht an der Lichtausbeute der historischen Laternen."

Die Stadt Nettetal muss sich darüber hinaus überlegen, wie der nicht unbedeutende Wirtschaftsfaktor "Tourismus", insbesondere nach dem Wegfall einiger Großbetriebe, erhalten werden kann. Für Tagesgäste reichen die Naturschönheiten und die zahlreichen Wanderwege. Urlauber, die mehrere Tage bleiben möchten, brauchen daneben aber auch touristische Ziele.

Wenn man hört, dass z.B. das Textilmuseum oder eben auch eine Straße mit historischen Gaslaternen ohne Not aufgegeben werden, muss man sich nicht wundern, wenn auch die steuerliche Einnahmequelle auf Dauer versiegt.

Gaswerk der Gemeinde 1923

Das Lobbericher Gemeindegaswerk 1923. Foto: Wikilink Verein Lobberland


Artikel mit frdl. Genehmigung des Urhebers vom 16. April 2023 an dieser Stelle veröffentlicht


Wikilink Gaslicht in Lobberich