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Donnerstag, 18. Dezember 2008
Donnerstag, 25. Dezember 2008


„Herr Rudi! Omstäng, wo liegt das?”


Eine Homage an einen liebenswerten Menschen - Rudi Wolters

Von Günter Nonninger

Lobberich Wer kannte ihn in Lobberich nicht: Rudi Wolters war der allzeit liebenswürdigen Postbeamte. Hilfsbereit, fröhlich, stets ein verschmitztes Lächeln in den Augen, zuständig für Dyck und Kölsum. Er kannte dort jede Familie, ihre Sorgen und Nöte und war der seelische Berater in allen Lebenslagen. Ob Liebeskummer, Ehekrach, Krankheit etc. Man sagte, er kannte den Inhalt eines Briefes schon, wenn er den Absender las.

Nebenbei war er noch ein Musiker für alle Feste und Gelegenheiten. Seine kleine Kapelle war allgemein beliebt, spielte er doch alle alten Lieder und Tänze, den Rheinländer, „Dä Schmidt" insbesondere aber den „Himmelstanz" nach der Melodie des Cancan von Offenbach, bei dem die Jungen die Mädchen hochstemmten, um dabei ungeniert festzustellen, was unter dem Mieder oder der Bluse vorhanden war. Es war eine heute nicht mehr vorstellbare kameradschaftliche und gesellige Zeit.

Die Nazis waren von alldem ausgeschlossen. Man lud sie nicht ein. Man wollte sie nicht. Damals wurde man mit 16 oder 17 Jahren in die Tanzschule Helfen geschickt, die im Saal Köster (heute Deutsche Bank; das Hotel wurde durch die V1 zerstört) ihre Tanzstunden abhielt.

Wir sollten dort „das feine Benehmen gegenüber Damen" und die ersten Tänze beigebracht bekommen. Natürlich brav deutsch - wie langsamer Walzer „Komm zurück", Wiener Walzer, links und rechts herum, Marsch, Tango, „Bolero", Foxtrott, Slowfox etc. Modernes galt als „Negermusik" und war als „undeutsch" verboten. Zu diesen Kursen schlug Rudi das Klavier.

Mein Kursus begann nach Kriegsbeginn: Nachdem sich die ersten Aufgeregtheiten wegen Fliegeralarm gelegt hatten, da nichts passierte.

Bei Fliegeralarm ging man auf die Straße oder ins freie Feld, um dem Spiel der großen Suchscheinwerfer zuzusehen. Aber die Tanzkurse liefen weiter. Kam Fliegeralarm wurde das Ganze kurzerhand in den Weinkeller des Hotels verlegt, wo Rudi Wolters dann mit dem Schifferklavier aufspielte. Die modernen Tänze Swing und Hot aus Brodway-Melodien und von Glenn Miller brachte uns die Barkapelle des Ozeanriesen „Bremen" bei.

Die Jungs waren als Soldaten hier gelandet. Sie machten zum Entsetzen der Nazis bei Ludwigs „Negermusik".

Beim Versuch, dieses zu unterbinden, bezogen sie von den Landsern eine fürchterliche Portion Prügel und waren nie mehr gesehen. Im Krieg fanden nach Landessitte und Brauch noch viele Feste mit Rudi, aber auch mit Pötter Emilie statt. Man lebte nach dem Motto „Wir lassen uns das Holzbein nicht zertrümmern, an et hät noch immer alles jood jejange".

Bis die Lage zu ernst wurde und alle nur noch ans Überleben dachten. Rudi aber stellte - egal ob Sommer, ob Winter, damals gab es lange, kalte Schneewinter, ob Fliegeralarm, ob JaBo-Angriffe (englische und amerikanische Jagdbomber schossen auf alles, was sich bewegte, selbst auf Bauern bei der Ernte) - seine Post zu. Viele traurige Briefe, die mitteilten, dass der Sohn, der zweite Sohn oder gar der dritte Sohn oder Mann und Vater der Kinder gefallen war, musste er zustellen. Immer wusste er das richtige Wort zu finden.

(2. Teil 25. Dezember)

Nachdem die Last des Krieges und der Nazispuk vorbei war, kamen Überlebenswille und Kraft nebst Frohsinn schnell wieder. Rudi war der gefragte Musiker, blieb aber nach wie vor bei der Post - zuständig für für Dyck und Kölsum. Es kamen viele Neubürger, die damals ungeliebten Ostflüchtlinge und er kannte bald auch ihre Sorgen und Nöte. Hörte den Menschen zu, tröstete und ermunterte sie und gab gute Ratschläge.

Damals wurde im Dyck ein großer Hof an eine Familie aus dem Braunkohlengebiet oberhalb der Erft verkauft. Das Verhältnis zwischen Rudi und den Besitzern blieb etwas distanzierter. Eines Tages aber, mitten in der Erntezeit, musste Rudi einen Einschreibe-Brief an den Gutsherrn mit dem Zustellvermerk „persönlich eigenhändig" dort abliefern.

Er traf den Herrn Gutsbesitzer vor dem Hof und übergab den Brief. Der sah den Absender, wurde blass und war verschwunden. Im Kölsum merkte Rudi, dass ihm die Quittung fehlte und fuhr zurück. In der Küche sah er den Gutsherrn nicht, nur die Gutsherrin und er fragte: „Frau, wo ist Ihr Mann?" „Er fühlte sich unwohl und hat sich hingelegt". Rudi: „Ich muss ihn sprechen. Er war doch eben noch gesund." Die Gutsherrin: „Herr Rudi, gehen Sie doch bitte die Treppe hinauf, hinter der ersten Tür finden Sie meinen Mann".

Rudi stieg die Treppe hinauf, klopfte an und fand den Gutsherrn im Bett, mit einer großen Autokarte in der Hand. „Ich brauche meine Quittung, bitte hier unten unterschreiben. Aber, wollen Sie verreisen?" „Herr Rudi, helfen Sie mir! Die Marie, die meine Frau herausgeschmissen hat, da ich etwas mit ihr gehabt haben sollte, schreibt, sie sei nun in „Ömstäng". Ich soll kommen. Wissen Sie, wo „Omstäng" liegt? Ich kann es nicht finden!"

Rudi konnte das Lachen fast nicht unterdrücken und klärte den Gutsherrn auf, dass sie in „Ömstäng" also 'in anderen Umständen' sei. Entsetzt entfuhr es dem Gutsherrn: „Das hat mir gerade noch gefehlt. Wenn das meine Frau erfährt", ward auf der Stelle gesund und verschwandt in Richtung „Ömstäng". Das Ende der Geschichte ist unbekannt.


Günter Nonninger und weitere Berichte von ihm

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