Freitag, 9. November 1962
(in alter Rechtschreibung belassen)
"Bald ist Martinsabend da"
St. Martin, das Lieblingsfest der Jugend - Die Martinszüge ziehen wie folgt:
Seit eh und je übte das Martinsfest einen besonderen Reiz auf die Jugend aus. Uralt sind die mit diesem. Fest zusammenhängenden Bräuche. In früheren Jahren durchzogen die Kinder auf eigene Faust mit einer Fackel, deren Stelle häufig eine ausgehöhlte Runkelrübe vertrat, in ganzen Scharen die Straßen unserer Gemeinde und sangen an allen Häusern die Martinslieder, aber auch Bettel- und Spottlieder, von denen noch folgende in unserer Gegend zwar nicht mehr geläufig, aber doch noch bekannt sind:
"Zient Mäerte, zient Mäerte!
De Äppel un de Peäre sind geäte,
Enne Eierkook, enne Bockertzkook,
Dä deet Zient Mäerte goot".
Der wenig freigebige Mann,: an dessen Tür die bittende Schar vergebens anklopfte, mußte die gewiß nicht schmeichelhaften Verse hören:
"Dat Huus, dat steht op eene. Penn,
Dä Gitzhols, da wonnt medden drenb,
Gitzhols, Gitzhols, Gitzhols"'
Daß dieses Bettelsingen im Laufe .der Zeit zu einer "Landplage" wurde, ist nur verständlich. Um kaum vermeidbaren Unsitten zu steuern, aber auch um den alten Brauch zu erhalten und zu "veredeln", ging man dazu über, gemeinsame öffentliche Martinszüge zu veranstalten. Es versammelten sich am Martinstage bei Anbruch der Dunkelheit die Schulkinder unter der Obhut ihrer Lehrer und Lehrerinnen an einem bestimmten Platz, von wo aus der Zug seinen Anfang nahm. St. Martin als Krieger oder als Bischof begleitete hoch zu Roß im wallenden Mantel den Zug. Musikkapellen spielten die Martinslieder, die von Kindern begeistert mitgesungen wurden. Vielfach wurden die schönsten Fackeln prämiiert.
Im Jahre 1905 bildete sich in Lobberich der St. Martinsverein.
Damit wurde auch die heute überall eingeführte Kinderbescherung
offiziell aufgenommen, ohne die jetzt ein Martinsfest überhaupt nicht
mehr zu denken ist. In Lobberich waren es hauptsächlich Lehrer Eduard
Istas und Johannes Holthausen, die mit Unterstützung alteingesessener
Bürger, besonders des damaligen Verlegers Eduard Peters, zunächst
einen ordnungsmäßigen Verlauf des Martinszuges sicherten. Zu den
Mitgründern gehörte auch der aus Düsseldorf stammende Lehrer
Jodocus Schaaf. Zum Schluß des Zuges wurde immer ein Martinsfeuer,
später auch Feuerwerk, abgebrannt.
Noch vor 30 Jahren gab es eine Reihe alter Gewohnheiten, die von der Jugend vor dem Martinsfest geübt wurden. Wochen, vor dem Fest bereits zogen die Jungen durch die Gemeinde, um Holz und Stroh für ein Martinsfeuer herbeizuschaffen. Die Jungen der einzelnen Ortsbezirke wollten für sich das schönste Feuer in Anspruch nehmen. Manche Gartenhecke und mancher Zaun mußten bei diesen "Sammlungen" oft schwer hinhalten. Die Buben fertigten auch lange vor St. Martin das sogenannte "Wirlingsvättsche", einen Blumentopf meist, in dem Holzkohle verbrannt wurde. Später wurden hierzu auch Konservenbüchsen benutzt, deren Boden man durchlöcherte, damit die schwelende Holzkohle zu loderndem Feuer entfacht werden konnte. Auch Püfferkes wurden "gestohlen". In vielen Häusern war es üblich, daß nach der Heimkehr vom Zug und Martinsfeuer die Mutter den "Bockertzkook", "mött Äppel drenn un och jett Look", gebacken hatte. Damals gab es auch in Lobberich noch vereinzelt Buchweizenfelder. Um die Jahrhundertwende fehlte dieser "Bockertzkook" in keinem Hause.
Heute haben sich die Bräuche der Zeit angepaßt oder sind ganz weggefallen. Geblieben sind Martinszug, Martinsfeuer und Feuerwerk, aber auch das "Bettelsingen" der Kinder in den Straßen. Mögen alle Heimatfreunde dazu beitragen, daß diese Sitten bei uns immer erhalten bleiben.
Den Anfang (im Jahre 1962!) machen die Sektionen Dyck und
Rennekoven
am heutigen Freitag mit ihrem gemeinsamen Martinszug, dem die Bescherung
in der Dycker Schule folgt. Das Martinsfeuer wird auf dem freien Platz
gegenüber der Schule abgebrannt. Die Sektion
Sassenfeld folgt mit ihrem
Zug am Samstag mit Bescherung in der
Lüthemühle (Gaststätte
Tobrock). Das Feuer wird in unmittelbarer Nähe entzündet. Am kommenden
Montag erfolgt der Zug des Kindergartens mit Bescherung im Kindergarten.
Der Hauptzug der Gemeinde wird am Dienstag, 13. November, durchgeführt.
Die Bescherung ist nach dem Zuge in der
evangelischen Schule. Auf dem
Grundstück neben der Schule werden Martinsfeuer und Feuerwerk abgebrannt.
Die Bescherung der Kleinkinder vollzieht sich in der evangelischen Schule
bereits ab 16 Uhr. Der Zug nimmt folgenden Weg: Neustraße,
Kempener
Straße,
Süchtelner Straße,
Steinstraße,
Bocholter
Weg,
Hoverkampstraße,
Ingenhovenpark,
Boisheimer Straße,
Eremitenstraße,
Mühlenstraße,
Breyeller Straße,
Freiheitsstraße,
Krankenhaus,
Sassenfelder Kirchweg,
evgl. Schule.
Der Martinsverein bittet die Anwohner derjenigen Straßen, die vom Zuge
berührt werden, die Fenster ihrer Häuser zu illuminieren.
Weitere Zeitungsartikel der GN:
Nachrichtenarchiv
Bestellen Sie jetzt Ihre
online!
Die Grenzland-Nachrichten legen ganz besonderen Wert auf die lokale
Berichterstattung.
Viele Sportinteressierte schätzen die ausführliche Berichterstattung
aus den unteren Ligen und dem Jugendbereich.