Geschichte des Kirchenchores St. Sebastian Lobberich 1841-1941

„Im Dienste der Pfarre St. Sebastian 1875-1918”

Zusammenarbeit mit einem Jungfrauenchor und der künstlerische Aufstieg  

Ernst Kamper
Ernst Kamper
geb. 12. 1. 1861 - gest. 15. 3. 1920
Dirigent des Chores von 1897 bis 1920

Ernst Kamper, 1861 in Wegberg geboren , seit 1890 Küster in Lobberich, trat die Nachfolge als Chorleiter und Organist an.

Er war Schüler des Gregoriushause in Aachen gewesen und offensichtlich schon bei Antritt des Küsterdienstes zum Nachfolger des damals 70jährigen Istas bestimmt. Er hatte bei seinem Dienstantritt versprochen. „ …  dem kirchlichen Gesangverein beizutreten, den Übungen desselben beizuwohnen und ihn auch zu leiten, wenn dieses nothwendig werden sollte und gleichermaßen in Notfällen den Organisten zu vertreten ... auch nimmt er (Kamper) die Musikalien in Verwahr".

Trotz der 3 Aufgaben, die Kamper wahrnahm, mußte er, der Vater einer vielköpfigen Familie war, um ein knappes Jahresgehalt kämpfen. (28)
1898 übernahm er die Leitung des Männer-Gesang-Vereins, der sich am 12. Januar 1897 einen „Gemischten Chor" aus je 16 Damen und Herren angegliedert hatte, die getrennt vom grundständigen Chor einmal in der Woche übten. Als im Jahre 1913 der Dirigent des  Männergesangvereins „Hoffnung 1863", Lehrer Schmalohr, ausfiel, übernahm er auch die Leitung dieses Chores, der mit dem 1885 gegründeten Männergesangverein „Frohsinn" unter Jodocus Schaaf in einem edlen Wettkampf stand. (29)
Um die Zeit als sich der Männer-Gesang-Verein einen gemischten Chor angliederte, ging auch Kamper im Kirchengesangverein an den Aufbau eines Damenchores.

Die Damen wurden allerdings nicht, wie es die Statuten von 1904 belegen, wo sie mit keinem Wort erwähnt wurden, zu einem integrierenden Bestandteil des Kirchengesangvereins.
Es ist nicht mehr möglich zu klären, in welchem Umfang sie beim liturgischen Gesang vor dem 1. Weltkrieg mitwirkten. Johannes Fritz, Chorknabe und seit 1908 Mitglied des Kirchengesangvereins, schrieb aus der Erinnerung:

„Auch einen Damenchor hatten wir schon frühzeitig, aber er sang nur bei Prozessionen nach Kevelaer, zu Fronleichnam und bei ähnlichen Gelegenheiten. Außerdem jedes jahr zu Weihnachten in den stillen Messen nach der Mette."
Pater Ambrosius, mit bürgerlichem Namen Willy Dohmes, Mitglied des Benediktinerordens, vermutlich zuerst Chorknabe in Lobberich und ab 1917 Vollmitglied, führte 1967 in einem Gespräch aus: „Durch Hinzunahme von Frauenstimmen war die Sängerschar zu einem großen „gemischten Chor" herangewachsen, der beachtliche Leistungen aufweisen konnte. So war es möglich, das Idealwerk der klassischen Polyphonie, die 6stimmige „Missa Papae Marcelli” von Palestrina zu bieten…"
Um das Jahr 1912 hatte der Chor einen gewissen Höhepunkt erreicht. (30)

Gesichert ist, daß die Damen bis 1913 mitsangen. Dies geht aus einer Zeitungsnotiz vom 14. April 1913 hervor: „Gemäß allgemeiner Anordnung des Bischofs von Münster mußte auch die Damenbegleitung im hiesigen Kirchenchor aufgelöst werden."
Schon beim Dekanatsfest im Jahre 1902 in St. Hubert hatte Diözesanpräses Schmidt die Hinzuziehung von Knabenstimmen zu den gemischten Chören gefordert, und 2 Jahre später hatte er diese dringende Bitte beim Dekanatstreffen in Oedt wiederholt. (31)

Das Verbot der Mitwirkung von Frauen beim liturgischen Gesang ging auf die Enzyklika Pius‘ X zur Kirchenmusik vom 22. November 1903 zurück. Der Papst stellte im Paragraphen 13 ein generelle Verbot für die Mitwirkung von Frauen in gemischten Chören auf, indem er ich auf da Wort des Apostels Paulus bezog, wonach Frauen beim Gottesdienst schweigen sollen.
Noch 1927 wurde bei der Generalversammlung de ACV der Erzdiözese Köln in Neuss festgestellt, daß ich an dem generellen Verbot nicht geändert habe, („nichts zu deuteln und nichts zu rütteln"). Inzwischen hatte ich die Meinung durchgesetzt, daß Frauen ersatzweise für fehlende Knaben mitwirken könnten, „immer vorausgesetzt, daß die mitsingenden Frauen nicht im Presbyterium (Chor) Aufstellung nehmen und auch nicht bei liturgischen Aktionen (z.B. Umzügen in der Kirche) aktiv mitwirken." Ursprünglich war der liturgische Gesang nur Aufgabe der Kleriker im Altarraum gewesen . Nur in Vertretung hatten Knaben und Männer singen dürfen. (32)

Klaisorgel
Spieltisch der Klaisorgel - gebaut 1906/1908

Istas hatte noch die Messe „Aeterna Christi munera" von Palestrina angeschafft, Kamper studierte je eine Messe des Spaniers Vittoria und des aus Mons (heute Belgien) tammenden Orlando di Lasso ein, nämlich die „Missa octavi toni". Zum Repertoire gehörte auch die „Missa, dixit Maria” von Hans Leo Hasler, des ersten großen deutschen Komponisten, der seine musikalische Ausbildung in Italien erhielt. Unter den A-capella-Messen, die vor 1914 gesungen wurden, ragen hinsichtlich des Schwierigkeitsgrades ohne Zweifel hervor die oben genannte „Missa Papae Marcelli" und die ebenfalls 6stimmige im Neopalestrinastil komponierte Messe „O crux, ave", von Franz Nekes. Diese beiden Messen waren bis etwa 1960 im Repertoire des Chores und stellten das „non plus ultra” des mehrstimmigen Chorgesanges in der Pfarre St. Sebastian dar.
Selbstverständlich wurden auch Kompositionen zeitgenössischer Cäcilianer zu Gehör gebracht, die in unserer Zeit weniger bekannt sind. Wie seine Vorgänger erarbeitete Kamper mit dem Kirchengesangverein größere Chorwerke, so die „Quinque lamentationes" des Palestrinaschülers G. M. Nanini und die „Passio Domini nostri Jesu Christi” nach Mathäus vom Naninischüler F. Suriano. (33)


Das Weihnachtsprogramm des Jahres 1911 ist ein gutes Beispiel für die teilweise extremen Anforderungen an den Kirchengesangvereins:
  • Christmette:
    H. G. Hasler: “Missa, dixit Maria" für 4stimmigen gemischten Chor
    Offertorium: Jaspers: „Hodie nobi caelorum rex" für 4 timmigen gemi chten Chor
    Segen: Ett: „Tantum ergo", 4stimmig

  • Stille Messen:
    „Es kam ein Engel hell und klar" 2 timmig mit Orgel
    Mohr: „Mit süßem Jubelschall", 4stimmig für gemischten Chor
    Thielen: „Laßt uns zum Kindlein eilen", 4stimmiger Männerchor
    „Zu Bethlehem geboren", 2stimmiger Chor mit Orgel
    Thielen: „Seid nun fröhlich, jubilieret", 4stimmiger Männerchor

  • Hochamt 10 Uhr
    F. Nekes: „ O crux, ave", 6stimmige a-capella-Messe
    Segen: Ortwein: „Tantum ergo", 7stimmig

  • 2. Weihnachtstag: F. X. Witt: „Missa in honorem St. Rafael" 5stimmig
    Offertorium: Jaspers: „Hodie nobis“
Der Berichterstatter fasst zusammen: „Das waren Momente tiefer Ergriffenheit für unser Gemüt, und sie werden unvergessen bleiben für die Seele." (34)

Im Jahre 1893 hatten die Mittel für den Bau einer dem großen Kirchenraum angemessenen Orgel nicht hingereicht. Zum Orgelfond steuerte der Kirchengesangverein durch 2 öffentliche Konzerte in den Jahren 1906/1907 bei. Am Ende konnte die Firma Klais, Bonn, für 21400 Mark die 44 Haupt- und 9 gekoppelte Nebenrester zählende Orgel im Jahre 1908 übergeben. G. Ferbers stellte bei der Abnahme für die bischöfliche Behörde fest: „Das Werk ist von einer gewaltigen Fülle." Das Gebläse konnte erst 1913 elektrisch betrieben werden, weil in Lobberich im Jahre 1908 noch keine elektrische Kraft vorhanden war. (35)


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