Geschichte des Kirchenchores St. Sebastian Lobberich 1841-1941
„Männer-Gesang- Verein zu Lobberich”
Buch S. 15
Der „Männer-Gesang-Verein Lobberich” von 1841-1875
Welche Aufgaben stellte sich der Verein?
Der oben genannte Gründungsbericht hält fest, Eduard Istas habe „die Notwendigkeit, Nützlichkeit und Annehmlichkeit eines Gesangvereins in Lobberich” dargelegt. Diese allgemeine Formulierung wird durch die Statuten von 1862 näher ausgeführt: „Zweck des Vereins ist, Lust und Liebe zum Gesange, namentlich zum Männergesange zu wecken und zu vermehren sowie auch beim feierlichen Gottesdienst in der Kirche die Ehre Gottes und die Andacht der Gläubigen nach Kräften zu fördern." (8)
Daß der Chor schon 1841 seäen kirchlichen Dienst anging, geht aus einigen überkommenen Belegen hervor. Dem Haushaltsplan der Pfarre für das ]ahr 1842 sind Rechnungsnachweise beigefügt. Dort ist von drei Anschaffungen für den Gesangverein in Höhe von 4 Thalern, 17 Silbergroschen, S Pfennigen die Rede. Die Firma Rennefeld aus Kaldenkirchen lieferte: „14 linierte Gesangbücher in halb Leder gebunden, nebst Papier a 10 Silbergroschen pro Stück für 4 Thaler, 20 Silbengroschen, dazu noch 1 großes Papier für Partitur a 20 Silbergroschen."
Der Wirt Mathias Kessels bescheinigte: „5 Thaler … für Bewirthung der Geistlichkeit und der Chorsätıger am Cäilia-Abend des Jahıes 1842 aus der Kirchenkasse bar und richtig erhalten zu haben … Lobberich, den 25. November 1842."
Auch wurde Eduard Istas erstmalig für seine kirchlichen Dienste mit 2 Malter Roggen entschädigt. (9)
Während die Rechnungsbelege mit schöner Gleichmäßigkeit Jahr für Jahr von den Cäcilienfeiern und den Zuwendungen an den Chorleiter Zeugnis geben, gibt es erst für das Jahr 1868 einen Beleg über Anschaffungen näher bezeichneter Noten.
So wurden eine Messe von Commer geliefert, Kirchenlieder von Kalthoff eingebunden, Partiturbuchhilfen für gemischten Chor, Heftchen und Federn für Lieder nach Kevelaer, Notenpapier und 4 Vesperale besorgt. Vom folgenden Jahr liegt ein weiterer Beleg vor: „Einbinden der Messe mit Stimmen von Schmidt" sowie „30 gebundene Liederheftchen für Wallfahrt nach Kevelaer."
Obgleich wir nicht genau wissen, ob die von Commer komponierte Messe auch wirklich aufgeführt wurde, ist das Anschaffungsdatum insofern interessant, als in eben jenem Jahr die Kirchenmusik einen kräftigen Impuls durch die Gründung des Allgemeinen Cäcilienvereins durch Franz Xaver Witt erfuhr. (10). Man darf davon ausgehen, daß der Chor bis zu diesem Zeitpunkt die Meßfeiern durch Liedbeiträge verschönerte und, wie es die Notenbeschaffung ausweist, auch außerhalb des Gotteshauses bei Prozessionen sang. Daß er dabei von Anfang seines Bestehens an bis 1875 die jugendlichen Chorsängerinnen und -sänger verdrängte, ist wahrscheinlich, denn sie werden nirgendwo mehr genannt.
Ob der Chor in seiner Gesamtheit oder mit einigen Mitgliedern den Choralgesang im sonntäglichen Hochamt oder bei festlicher Gelegenheit in Vespern pflegte, ist für die 1. Phase seines Bestehens nicht bekannt.
Die Zahl der Mitglieder wuchs ständig. Während 1841 13 Sänger den Chor gründeten, unterschrieben im Jahre 1862 30 Mitglieder die Vereinsstatuten. Dies ist genau die Zahl, die im Zusammenhang mit den Liederheftchen für Kevelaer weiter vorne genannt ist. (11)
Die genannten Statuten regelten unter anderem da Vereinsleben. So mußten die Mitglieder mit dem Glockenschlag der festgesetzten Stunde im Lokale beim Wirthe Färvers sich befinden", wenn freitags die Proben begannen. ,,Ausbleiben zieht 1 Sgr. (Silbergroschen) die geringste Verspätung 6 Pfg. Strafe nach sich."
Auch wenn einer beim kirchlichen Dienst fehlte, drohte eine Strafe: „ Wer bei dem feierlichen Gottesdienste, wo mehrstimmig gesungen wird ohne abgemeldet zu sein fehlt zahlt 1 Sgr. Strafe." (12)
Während es für die Zeit von 1841 bis 1875 an gesicherten Einzelheiten über die kirchliche Tätigkeit mangelt sind solche für den restlichen Wirkungsbereich in größerer Zahl vorhanden:
Da die Barden den Gesang auch als einen Teil der Geselligkeit verstanden, nimmt es nicht wunder daß sie am Fastnachtssonntag 1845 im ,Haus Ingenhoven" ihr erstes Konzert gaben. Von einem weiteren Auftritt dieser Art wissen wir durch Zeitungsanzeigen, so anläßlich der Einweihung des Kesselschen Saales am 7. September 1862. Die Eintrittsgelder waren nach Plätzen gestaffelt. Weil der Verein dieses Konzert mit einer Ballveranstaltung verband, gab es übrigens Widerspruch, der den Bürgermeister zur Feder rief. In seinem Brief an den Landrat heißt es unter anderem, der Verein sei seit 20 Jahren eine geschlossene Gesellschaft, die unter ihren Mitgliedern und bei der Bevölkerung „zum Guten und Schönen" einen Beitrag leisten wolle. (13)
Das Probelokal (1862) beim Wirte Färvers, Marktstraße, Ecke Kempener Straße
Schon früh drängte es die sangeslustigen Mitglieder zum Vergleich mit anderen Chören. Durch Eduard Istas wissen wir nicht nur, wo die Siegespalmen errungen wurden, sondern auch welche Liedvorträge zum Erfolg führten:
- 1850 Düsseldorf:
„Mein Herz" von A. Härtel
„0 säh ich auf der Haide dort" von Küchen
II. Preis - 1852 Düsseldorf:
„Im Walde“ von W. Smit
„Wer ist unser Mann» von Carl Zöllner
I. Preis - 1855 Lille:
„Abendlied" von Conradin Kreutzer
„Frühlingslandschaft" von Julius Otto
II. Preis - 1863 Aachen:
"Leb wohl mein Vaterland" von F. Abt
„Wo ist unser Man“ von Carl Zöllner
III. Preis - 1885 Mönchengladbach:
„Laudate dominum" von Ett
„Schöne Rotraut" von W. H. Veith
II. Preis
Hoho du stolze Mädchen ' von A. Dregert
Ehrenpreis - 1890 Godesberg:
„Halt" von Carl Zöllner
"Kriegers Abschied" von Attenhofer
I. Preis
Halt' von Carl Zöllner
„Ritters Abschied" von Plötz
Ehrenpreis der Kaiserin Friedrich
Die stimmungsvollen, dramatischen Chorwerke entsprachen dem Zeitemfinden. Es wurden in den Konzerten am Ort unter anderem auch Kompositionen Meldelssohn Bartholdys aufgeführt. (14) Man darf davon ausgehen, daß der Verein durch seine Erfolge nicht nur an Selbstbewußtsein gewann, sondern auch manche Anregung mit nach Hause brachte. Daß der Chor sogar zum französischen Lille fuhr, belegt, wie eng in der hohen Zeit der Rheinromantik mit ihrer Rückbesinnung auf das sagenumwobene Alte Deutsche Reich die Verbindung mit Flandern war.
Es mindert die aufgeführten Erfolge nicht, wenn einmal der Gipfel nicht ganz erreicht wurde, so traf am 2. September 1867 eine telegrafische Depesche aus Obercahsel im Heimatort ein: „Lobberich hat bei der Preisverleihung blos eine ehrenvolle Anerkennung erhalten." Ob der Gesangverein gelegentlich auch an den damals sehr geschätzten Wettbewerben in Kleve oder Krefeld teilnahm, ist nicht bekannt.
Die Meldung des Bürgermeisters an den Landrat, daß der Gesangverein „weder politischen noch demokratischen Tendenzen" zugetan sei und unter lstas' Leitung „in dieser Hinsicht nichts zu befürchten" stehe, gehört in den zeitgeschichtlichen Rahmen: In Preußen, wozu Lobberich gehörte, war es wie andernorts in Deutschland 1848 zu einer bürgerlichen Revolution gekommen, in deren Verlauf Verfassungsfragen eine bedeutende Rolle spielten. Die Arbeit in der Frankfurter Paulskirche und parallel dazu im Preußischen Landtag zeugte dafür, daß ein durch wirtschaftliche Leistungen erstarktes Bürgertum nach französischem Vorbild nach mehr Einfluß auf die Politik. Diese Entwicklung wurde auf dem Lande hauptsächlich durch das Kleinbürgertum unterstützt. Aus der Textilunternehmerfamilie von Beckerath in Krefeld stammte ein Mitglied des neuen Reichsministeriums. Ob die starken Beziehungen zu Krefeld im textilen Bereich sich damals schon politisch in Lobberich auswirkten, ist dem Verfasser nicht bekannt. Während des Kulturkampfs gab es am Ort eine einflußreiche liberale Fraktion im Gemeinderat.
nächstes Kapitel: „Kirchengesangverein Lobberich" von 1875-1918
Übersicht "Geschichte des Kirchenchores St. Sebastian 1841-1981"