Geschichte des Kirchenchores St. Sebastian Lobberich 1841-1941

„Im Dienste der Pfarre St. Sebastian 1875-1918”

Chorliteratur und Aufführungen bis zum Tode Eduard Istas 1897

Die Übersicht über die in den Jahren bis 1897, dem Todesjahr Istas', angeschafften Kompositionen zeigt, daß der Dirigent nicht nur aus dem Schaffen deutscher „Cäcilianer", wie Koenen, Schmidt, Haller, Boeckeler, Piel, Mohr, Bemards auswählte, sondern schon 1879 eine Messe von Viadana und 1895 die „Missa aeterna Christi munera” von Palestrina zur Auffühnıng brachte. Vermutlich sangen die Knaben die Oberstimmen.
Durch die Schenkung vom 1. Mai 1887, worüber ein Schreiben an den Kirchenvorstand verfaßt wurde, wissen wir, daß der Kirchengesangverein in der Weihnachtszeit 1886/ 87 ein Weihnachtsoratorium von Fidelis Müller aus Cahsel vortrug. Aus dem Reinerlös wurden liturgische Gegenstände, nämlich Meßkelch, Ciborium, Oelgefäß, Patene und ein silberner Teller, zum Gebrauch in der 1884 neuerbauten Krankenhauses angeschafft. (23)
Belegt ist außerdem die Anschaffung von Wiltbergers „Die Hl Cäcilia“ Zur würdigen Gestaltung von Prozessionen und Wallfahrten stellte Eduard Istas dem Titel „Kirchliche Gesänge" 22 Lieder für gemischten Chor in Ziffernnoten zusammen. Im einzelnen handelt es sich um Sakramentsgesänge (1-9), Muttergotteslieder (10-18) Passionsgesänge (19-21) und den ambrosianischen Lobgesang in
deutscher Sprache. Ernst Kamper, Istas' Nachfolger fügte 1909 einige Lieder, die er
teils selber komponierte, in Notenschrift hinzu. Istas wählte vermutlich die Ziffernschrift, um die Gesänge einem größeren Kreis zugänglich zu machen.sUm 1885 war die Notenschrift für die meisten Menschen ein Buch mir sieben Siegeln. E wurden schon im Erscheinungsjahr 80 Hektografien der handgeschriebenen Heftchen erstellt. Die Ziffernschrift hatte zu diesem Zeitpunkt schon ihre eigene Geschichte, so wurde 1820 in Willich ein Chor von Jungen und Mädchen durch Lehrer Peter Nesseler mit Hilfe seiner eigenen „Gesang-Schule in Ziffernnoten" in die Sangeskunst eingeführt. Da von Eduard lstas gewählte System der Ziffernschrift soll dem von F. Th. Stahl entsprechen, der es wiederum von dem Franzosen Rossseau von Galin-Cheve aus Paris übernommen habe. (24). Der Kirchenchor St. Sebastian sang aus diesen Heftschen bis zur Mitte dieses Jahrhunderts bei Wallfahrten nach Kevelaer, in den Fronleichnamsprozessionen und anläßlich der Erstkommunionfeiern. Von den Heftchen sind noch einige Exemplare vorhanden.
Es stellte eine hohe Auszeichnung für den bereits 74jährigen Chorleiter und die Chorgemeinschaft dar, daß die feierliche Aufnahme der Kirchenchöre des Landdekanates Kempen am 29. September 1895 in Lobberich stattfand. Im Hochamt sang der Lobbericher Chor im Beisein des Diözesanpräses des ACV, Schmidt, dessen Messe „In honorem sancti Ludgeri". In der Andacht am Nachmittag trugen Knaben und Männer das von Schumacher geschriebene „Pange lingua" für 1 Knaben- und 3 Männerstimmen vor. Es folgten der Gregorianische Choral, ein gemischter Chor von Aiblinger mit dem Titel „Schönste Zierde" ein weiterer „Jesu, komm zu mir" von J. Koenen ein dreistimmiger Männerchor mit Orgelbegleitung „salve panis" von J. Koenen, wieder ein Choral und nach dem Segen das deutsche Kirchenlied „In dieser Nacht". (25). Der Kirchengesangverein bewies auf diese Weise, daß er den vom Allgemeinen-Cäcilien-Verein in musikalischer Hinsicht gestellten Anforderungen voll genügte.

Bild
Wohnhaus des Eduard Istas, Lobberich, Markt 11, mit Gedenktafel, 2. Haus von links

Als der Kirchenvorstand am 31. Oktober 1891 beschloß, Eduard Istas zum 50jährigen Dirigentenjubiläum ein Kruzifix im Werte von 140 Mark zu schenken und dieses „durch eine Deputation“ zu überreichen, ehrte er damit den Jubilar „für langjährige, uneigennützige und opferfreudige Leitung des Kirchengesangvereins". (26).
Freilich hatte Istas auch gewisse Widrigkeiten zu bestehen gehabt, ehe er zu einer Art Denkmal wurde. Am 3. Dezember 1879 hatte ein Regierungsinspektor bei einer Schulvisitation der zweizügigen je 5 Jungen- und Mädchenklassen umfassenden Volkschule festgestellt, daß der Hauptlehrer lstas in der Oberklasse der Knaben schlechten Unterricht erteilte. Offensichtlich war dem Regierungsbeamten die Ursache hierfür bekannt; er schrieb nämlich: ... gibt sich der Lehrer Istas zu Lobberich nebenamtlichen Beschäftigungen, namentlich durch Ertheilung von Privatunterricht in der Musik, in einer Ausdehnung hin, welche pflichtmäßige Wahrung seiner Dienstobliegenheiten zu beeinträchtigen geartet und als eine wesentliche Ursache seiner ... unzureichenden Schulleistungen anzusehen ist." Ganz offensichtlich wußten die Herren von der Regierung nichts von jenem Schreiben, das Istas am 28. Januar 1879 für den „Wohllöblichen Kirchenvorstand' abgefaßt hatte in dem er für seinen Sohn nach dem Tode des Organisten Didden darum bat, diesem „einstweilig" die Stelle zu übertragen. Er bot gleichzeitig seine guten Dienste an und meldete sein Interesse an der Aufgabe für die Zeit nach der Pensionierung an, die nach einer 38jährigen Dienstzeit in nicht gar zu weiter Ferne ein dürfte." Istas verzichtete auf die Stelle des Hauptlehrers zugunsten des Lehrers Bernhard Neumann, der am 14. Juni 1881 seinen Dienst antrat. Am 5. J anuar 1881 bescheinigte Eduard Istas dem Kirchenrendanten, für 1880 176,56 Mark als, Einkommen der Organistenstelle" erhalten zu haben. Bis 1886 blieb er ohne finanzielle Einbuße im aktiven Schuldienst in einer der unteren Klasssen. (27). Der Staat versöhnte sich mit dem hochverdienten Mann durch Verleihung des Roten Adlerordens. Eduard Istas starb am 11. Juni 1897 in Lobberich.
An seinem Wohnhaus, Lobberich, Markt 11 wurde am 1. Mai 1927 anläßlich seines 30. Todestages eine Gedenktafel enthüllt. Nach dem 2. Weltkrieg wurde eine Straße nach ihm benannt.


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