Ein Schachabend vor über 40 Jahren beim Schachklub Lobberich.


Ein Erlebnisbericht von Wolfgang Thieme.

Schach vor über 40 Jahren in Lobberich. Da muss ich zuerst an das „Weinzimmer“ im Hotel Dammer auf der Hochstrasse denken (heute Hotel Stadt Lobberich – Pies).Gerade mal sechs Tische passten für den Clubabend freitags ab 20 Uhr dort hinein. Und sehr eng wurde es an vier bis fünf Sonntagen im Winterhalbjahr, wenn an acht Tischen auf Wachstuchplanen gegen benachbarte Schachvereine Meisterschaftspartien ausgetragen wurden.

Und dann war da noch unser Kellner Emil (Rütten) – immer wie aus dem Ei gepellt – gebügelte schwarze Hose, schwarze Krawatte und weißes Jackett. Ein sauberes kleines Tüchlein zierte den Unterarm, an der immer leicht angewinkelten linken Hand. Ein leidlich gefülltes Lokal am Freitagabend bei Sophie und Willi Dammer - an der Theke war für ihn wesentlich lukrativer, als die Bewirtung von uns „Pöppkesspieler“ mit Kaffee, Cola, Zitsch oder „Mütterkenbier“.

Es war an einem Freitag im Mai 1965 – wir spielten die 9. Runde der Vereinsmeisterschaft. Der Fernseher stand in unserem Spielzimmer und eine Sendung wollten sich etliche Gäste von der Theke nicht entgehen lassen.

Und so wurden wir dann auch kurzerhand – ich erinnere mich noch, als wäre es gestern – aus unserem angestammten Weinzimmer in die hinteren Räume des Restaurants verfrachtet. Wir, das waren unter anderen unser Vorsitzender Georg Lühken, Peter Jacobs (der Eierpitter vom Flothend, wie er sich selber nannte), Peter Jösch, Hugo Peters, der Uhrmacher Karl Mangold, Heinz Schmitz, Helmut Ploenes, Theo Hubbertz, der Gründer des Schachklubs Lobberich von 1929, Peter Hintzen, Harald Dotzauer, Hans und sein Bruder Peter Kother und ich, der einzige Jugendliche im Schachklub Lobberich, dem Vorgänger, der aus dem SK Lobberich und dem SK Kaldenkirchen im Jahre 1970 hervorgegangenen Schachgemeinschaft Nettetal.

Eine Aufnahme aus alten, vergangenen Tagen - festgehalten 1954 bei der 25-jährigen Jubiläumsfeier des SK Lobberich in der Gaststätte Dohmes am Markt, (stehend von links): Gretchen Dohmes, Heinz Furthmann, Erwin Hilger, Walter Fritz, Willi Rommelrath, Peter Kother, Heinz Dickmann, Peter Hintzen, Heinz Schmitz, Karl Mangold; (sitzend von links): Jürgen Bendixen, Julius Nellissen, Georg Lühken, Peter Jacobs, Hans-Theo Baak.

Der Geräuschpegel der Fernsehsendung sowie das Gelächter der Zuschauer drang bis zu uns. Und so ließ der amtierende Vereinsmeister Peter Kother, der sich an diesem Abend mit mir „herumzuschlagen“ hatte, auch die nötige Konzentration vermissen, war ich doch als noch nicht 16-jähriger Knirps den Anfängen des „königlichen Spiels“ gerade erst entwachsen. Hinzu kam, das dass ein oder andere Pils, was er sich als einer der wenigen Vereinsmitglieder beim Schachspielen genehmigte, seine Aufmerksamkeit weiter trübte.

Wolfgang Thieme siegte bei der Vereinsmeisterschaft 1978.

Und dann kam was kommen musste: ich sah, was Peter Kother nicht sah: eine Kombination, die in einer Springergabel mündete, bei der ein Springer gleichzeitig zwei Figuren angreift - und schon war es passiert. Der Titelverteidiger stand mit einem Turm weniger da! Ich saß kerzengerade, total verkrampft und mit hochrotem Kopf am Spieltisch, die Daumen der beiden zittrigen Hände in die Ohrmuscheln gepresst – damit ja kein Geräusch meine Gedanken störte - und mein Herz schlug mir bis zum Hals. Eine innere Stimme rief mir zu: ...Du hast ihn, du hast ihn! Aber sicher war ich mir nicht, denn er galt als starker Spieler.

Es ehrte Peter Kother, dass er diese desolate Stellung nicht weiterspielte und mich Greenhorn womöglich doch noch besiegt hätte. Zum Zeichen der Aufgabe reichte er mir fair die Hand. Es war unglaublich: Ein Anfänger schlägt den Clubmeister!! Aufgeregt unterbrachen die übrigen Vereinsmitglieder ihre noch laufenden Partien und als erster gratulierte mir Hugo Peters mit einem verschmitzten Lächeln im Gesicht. Und dem ein oder anderen war die Schadenfreude durchaus anzumerken – derweil der Unterlegene zum Stammtisch trollte und beim Skat mit Karl Mangold und Heinz Schmitz seinen Kummer zu vergessen suchte.

Und ich, ich war der glücklichste Mensch an diesem Abend im Lokal und war mächtig stolz.

Sicherlich war es keine berauschende Leistung meinerseits (am Ende Platz 9 von 16 Teilnehmern bei meinem ersten Schachturnier), hatte ich doch an diesem Abend nur einen unkonzentrierten Gegner vor mir. Aber dieser Sieg bewirkte eine Entscheidung des Spielausschusses für die Besetzung der Bretter bei den Mannschaftskämpfen des SK Lobberich für die nächste Saison, was sicherlich förderlich für meine zukünftigen schachlichen Ambitionen war. Obwohl bessere und auch erfahrenere Spieler zur Verfügung standen: ich bekam das 7. Brett und durfte als junger Spund in der nächsten Saison die Lobbericher Farben in der A-Klasse vertreten, derweil die übrigen Mannschaftsspieler ein Durchschnittsalter von an die 40 Jahren hatten.

Und was die Spielstärke der Besten Mitte der sechziger Jahre anbetrifft: sie würden heute im Zeichen der ausufernden Schachliteratur und Computersoftware nicht einmal für die ersten zehn Plätze bei den gerade laufenden Nettetaler Schach-Stadtmeisterschaft reichen.

Ach ja, da war noch das Endergebnis des Turniers: Georg Lühken wurde Vereinsmeister mit 13 : 2 Punkten und die Grenzland-Nachrichten schrieben Monate später zum Abschluß des Turniers: „..... und Kother verlor seinen Titel in erster Linie durch die unerwartete Niederlage gegen den jungen Nachwuchsspieler Thieme“.

Autor:  Wolfgang Thieme ist auch heute noch für die Schachgemeinschaft Nettetal als Turnierleiter aktiv.


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