Musik in, am Rande und außerhalb der Kirche
Juni 2002
Eine Kirchengemeinde als Kulturträger
Von Ingo Mählmann
Am Sonntag, 30.6.2002 ist um 18 Uhr die junge Sängerin Stefanie Brijoux aus Essen zu Gast im Pfarrheim "Die Brücke" der Lobbericher Kirchengemeinde St. Sebastian. Die lyrische Sopranistin befindet sich noch im Studium in der Gesangsklasse von Prof. Claudia Rüggeberg sowie der Liedinterpretationsklasse von Michael Gees an der Essener Folkwang Hochschule. Sie gibt, von Kantor Markus Belmann am Klavier begleitet, einen Liederabend mit schwerpunktmäßig Liebesliedern von Robert Schumann und dem ebenfalls in Essen lebenden Komponisten Wolfgang Grandjean.
"Dieser Abend spiegelt gewiss nicht die Kernaufgaben eines Kirchenmusikers wider" erklärt Belmann, der, seit August 2000 im Amt, schon mehrfach Veranstaltungen angeboten hat, die das Spektrum "der" Kirchenmusik an St. Sebastian ausweiten. Zwei Mal jährlich gibt die Gemeinde einen musikalischen "Kalender" heraus, in dem sich - neben einer Übersicht über Musik in den Gottesdiensten -Angebote verschiedenster Art wiederfinden: angefangen von einem Konzert mit jiddischer Klezmermusik in der atmosphärisch ansprechenden "Alten Kirche", über Kinderkonzerte wie z.B. "Peter und der Wolf" in der Bearbeitung für Blockflötenensemble bis hin zum Gastabend des Kölner Kabarettisten Gereon Perse unter dem Titel "NervenSegen". Es gibt auch Angebote, die eher bildenden Charakter haben und Laien das Musikverständnis erleichtern. Den Menschen die Hemmungen davor zu nehmen, selbst musikalisch aktiv zu werden, ist Belmann dabei ein wichtiges Anliegen: "Unser erster Gospelworkshop im vergangenen Jahr war ein voller Erfolg und wird in diesem Jahr am 7./8. September eine Neuauflage erfahren. Darüber hinaus wollen wir den Menschen auch andere Stilrichtungen näher bringen: der im Frühjahr ausgefallene "Schnupperkurs Gregorianik" wird im Frühjahr 2003 stattfinden."
Natürlich gibt es auch geistliche Abendmusiken und Konzerte: Die Aufführung des Mozart-Requiems im November 2001 in der vollbesetzten Pfarrkirche stieß auf eine großartige Resonanz. Der Kirchenchor der Gemeinde, die erneut von der Diözese Aachen zur Schwerpunktstelle für Chormusik ernannt wurde, plant im März 2003 die Aufführung des "Elias" von Felix Mendelssohn Bartholdy. In einer Projektphase können sich dabei auch interessierte GastsängerInnen beteiligen. "Leider", relativiert Belmann, "ist dieses Projekt auch finanziell eine große Herausforderung. Wir hoffen jedoch mit Unterstützung hiesiger Unternehmen diesen lohnenden Kraftakt bewältigen zu können."
Aus Anlass des 5. "Geburtstages" der Chororgel organisiert die Gemeinde am 15.6.2002 einen "Tag der Orgel". Es wird zwei kürzere Konzerte mit anschließender Orgelführung geben: um 11.30 Uhr eine Marktmusik und um 15.00 Uhr ein Orgelkonzert für Kinder. Zum Abschluß singt der Kirchenchor in der Abendmesse um 18.30 Uhr unter Einsatz beider Orgeln die "Messe solenelle cis-moll" von Louis Vierne.
Dass die Nettetaler insgesamt mehr Interesse für Kunst und Theater als Musik zeigen, schreckt den Lobbericher Kirchenmusiker nicht ab: "Es gibt durchaus Beispiele für überaus fruchtbare Konzertinitiativen, wie z.B. die Konzerte in der Hinsbecker Stammenmühle, die Aktivitäten des Orchesters am Werner Jäger Gymnasium oder die Neujahrskonzerte in Krickenbeck. In kleineren Städten, die nur ansatzweise ein Konzertwesen am Leben erhalten können, sind private Initiativen um so mehr gefragt. Den Kirchen kommt daher als Kulturträger eine hohe Bedeutung zu.". Belmann, der zusätzlich zu seinem Kirchenmusikstudium auch ein Dirigier- und Kapellmeisterstudium absolviert, empfindet es in dem Zusammenhang schwierig zwischen "weltlicher, religiöser, christlicher oder liturgischer" Musik Grenzen ziehen zu wollen: "Ein Liederabend, in dem es um menschliche (Liebes-) Beziehungen geht, hat - sowohl in den romantischen Gebärden des Schumann-Zyklus als auch in den von Grandjean vertonten Dichtungen der Ulla Hahn - durchaus eine göttliche Komponente und kann sozusagen zu einem Trittbrett zur Religiösität werden".
Dieser Liederabend soll kein einmaliges Ereignis bleiben. Geplant sind weitere Kammermusiken, die jungen Künstlern eine Möglichkeit bieten, sich vorzustellen. Man darf also gespannt sein.