Emil "Em" Oelieden

von Edmund Els sen.


Am Niederrhein, in Lobberich wurde Emil Oelieden geboren. Rheinische Schwerkraft und rheinische Heiterkeit diese beiden ewigen Lebensantriebe des Landes am Strom sind in Blut und Geist dieses Künstlers schicksalshaft eingegangen und haben Wesen und Form seines Werkes bestimmen helfen. Schwer und bodengewachsen ist das künstlerische Rheinländertum Oeliedens, auch dort noch, wo es heitere Seiten anschlägt. Die fröhlichseichte und tränensüße Rheinland-Romantik, die an den Rheinufern so zahlreiche Blüten kitschiger Sentimentalität trieb, bleibt seinen Blättern und Bildern fremd, der vielbesungene leichtsinnige und nur froh sinnliche Geist des Rheins erfährt dort keine fragwürdige Auferstehung. Gerade den Besten unter den heutigen Rheinländern lebt ja dieser Geist als tiefster und allein kennzeichnender heimatlicher Wesenszug längst nicht mehr.

Und wenn einer von ihnen, wenn Josef Ponten von jungen zeitgenössischen rheinischen Künstlern einmal sagt, dass ihr Sinn sich auf die Seele der Dinge mehr spanne als auf die Erscheinung, dass sie dem Fürchterlichen sich näher fühlen als dem Gefällligen, so hat er Einst und Jetzt des Künstlertums am Rhein trennend verdeutlicht.

Dem künstlerischen Geiste des Rheinlandes unserer Tage verbunden, ehrlich, herb und voll männlichen Ernstes, ist auch das Schaffen Oeliedens; von den verdeckten Kräften in Landschaft und Menschenseele erregt; ohne schwache Geständnisse an den spielerischen Glanz des Oberflächlichen; gläubig auf das geheimnisvolle Wesen gerichtet, das hinter aller Erscheinung verborgen ruht.

Am Niederrhein stand die Wiege des Malers Oelieden. Künstlerisches Erbgut der niederrheinischen Heimat mag die strenge und kräftige Einfachheit in der Formgebung, mag die spät gemilderte und dann ins Gleichnishafte erhobene kraftvolle Realistik seiner Kunst sein. Aus alter flämischer Familie stammt die Mutter. Vom Norden her kam der Vater. Früh stand der Sohn allein. Dreißig Jahre wurde er alt, bevor er zu malen begann - solange suchte die Kraft, bis sie Richtung und bestimmtes Ziel fand. Bis dahin tummelte er sich im Bauhandwerk, im Kunstgewerbe, ein rastloser Landstreicher durch Flandern, England und Deutschland. Kunstgewerbliche Arbeiten, Keramik und Metallschmuck trugen ihm zunächst Anerkennung ein. Endlich zur Malerei gelangt, lockte der Süden: Portugal und Spanien durchquerte er auf Pferd und Esel, von der Sonne Marokkos ließ er sich sengen. Akademie-Jahre in Deutschland, in Paris folgen, Jahre in Flandern, Holland, in der Schweiz, in Italien. Als im ersten Kriegsjahre sein Frau stirbt, er selbst noch das Sumpffieber vom Aufenthalt in Rom in sich trägt, findet er wieder zu den Ufern des Rheins zurück. Sie verlässt er nicht mehr. Immer will er sie wiedersehen, wenn er von seinen beutereichen Malfahrten in de Alpen oder den hohenNorden mit gefüllten Mappen heimkehrt. Droben, auf den waldeshöhen des Hunsrücks, oder drunten, im Anblick der sieben Berge, lebt und malt der nun Fünfzigjährige in einem kleinen Bauernhause.

Dumpf und Dunkel, mit mühsamer Hand gemalt, sind die ersten Bilder um 1905: Düstere Kohlezeichnungen aus Flandern, von holländischen Stuben. Schwer kämpft da die lichte Weiße des Papiers gegen das stumpfe Schwarz der Kohle; schwer, stumpf und erdfarben bleibt auch die Palette. Anklänge an die holländische Frühzeit des Vincent van Gogh sind diese ersten künstlerischen Versuche Oeliedens mit ihrem schönen Wollen und Noch-nicht-Können, wie sich denn auch später noch häufig verwandte Anklänge an das künstlerische Gut Hollands Belgiens und Nordfrankreichs in seinem Schaffen zeigen.

Dann, nach Jahren des Tastens, des autodidaktischen Abmühens mit der einfachen Gegenständlichkeit der Dinge, erhellt sich in impressionistischer Freude mählich die Farbe: Wie ist die Welt doch voller Licht und leuchtender Buntheit! Leichter schingt jetzt die Linie des Stifts, schon fängt sie auf seinen Zeichnungen die zitternde Luft ein. Satt brennt ein Rot neben strahlendem Gelb, metallisch erglänzt ein Blau neben fettem Grün und Weiß in seinem Landschaften, und Luft und Licht fluten nun über sie hin.

Zeigte sich dieser Impressionismus des Uebergangs in der Malerei Oeliedens auch niemals von derart flockig zarter Weichheit und transparenter Duftigkeit wie der der großen französischen Meister, bewahrte die Hand dieses Malers auch hier einen breiten, schweren Pinselstrich, viel gesunde Festigkeit und Kraft -: nach der vorangegangenen realistischen Dumpfheit und Härte seiner Kunst wurde ihr jetzt reichste Auflockerung und Gelöstheit gebracht. Nun war das Technische gemeistert, dessen jeder wahre Künstler notwendig bedarf, sofern er einem innerlichen sinngemäßen Ausdruck zu verleihen sich befähigt wünscht - der Boden war bereitet, dem die Arbeiter eines persönlichen Stilwillens entwachen konnten.

Im letzten flammenden Aufflackern dieses persönlich erlebten Impressionismus schon erhielt die Farbe, über ihre rein Impressionistische Aufgabe hinausgehend, Bedeutung als Ausdrucksträgerin seelischer Werte, wurde schon in der Richtungsführung des nachdrücklichen Wesens spürbar -: die Linie. Mehr und mehr verdeutlicht sie sich dann, stärkerer Ausdruckskraft und einem fester gefügten Bildaufbau dienend, in den Bildern der Folgezeit, von denen hier nur drei veröffentlicht werden können. Leckend kämpfen im Bild von Bach im Schnee das Dunkel des Wassers und das gebleichte Grün der Mulde gegen die drückende Umklammerung des vielgetönten Weiß an. Im Bild Weinende Frau, wo der Schmerz des an der Erde kauernden Weibes von den Senkrechten der beiden Birkenstämme symbolhaft aufgenommen und zur Höhe geführt wird, hat sich die Linie zur klaren, ausdrucksvoller Einfachheit und als Mittel verwesentlichender Flächenbegrenzung in der Tuschzeichnung Winterlandschaft.

Ganz als Meister der strengen Linie erwies sich Oelieden in seinem auf der letzten Bonner Ausstellung gezeigten Zyklus "Mutter und Kind", wo der Künstler zu einer Formgebung fand, die dem Zeitgebundenen enthoben und doch das künstlerische Maß nachfühlbarer Naturferne wahrend, das Mysterium des Muttertums ins zeitlose Gleichnis deutete. Wo der nach allen dumpfen Versuchen der Jugend und der zielspähenden Uebergangszeit der folgenden Jahre nun zur Reife gekommene Maler sich als ein später Nachfahr derer zeigte, die rheinische Schwerkraft und rheinische Heiterkeit einst banden zu der gelösten Klarheit rheinischer Dombauten, als ein Bezeuger dessen in seiner Kunst, was heute als bestes Gut rheinischen Geistes erkannt und gepriesen wird.


Der Artikel stammt aus: Rheinische Heimatblätter, Koblenz, 1927 Nr 12, S. 541f.
Mit Datum vom 29. August 2011 wurde genehmigt, den Text auf Lobberich.de zu übernehmen.
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