Gericht in Lobberich

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Oberster Richter war seit je her der Landesherr, und damit der Graf (später Herzog) von Geldern. Dies blieb so, bis 1673 die Rechte der Gerichtsbarkeit an zahlungskräftige Adelige verkauft wurde. Die benachbarten Herrlichkeiten Wankum, Herongen, Leuth und Hinsbeck kaufte Graf Schaesberg (Krickenbeck).

In Lobberich kaufte Gilles Werner von Bocholtz dieses Recht. Seine Familie war hier seit dem 14. Jahrhunderten auf Burg Bocholtz ansässig und danach 125 Jahre im Besitz dieser Rechte bis es die französischen Landesherren auflösten.

Im Vertrag war festgelegt, dass Gilles Werner von Bocholtz auch die Schöffen und den Schultheiß einsetzen durfte. Dieser war als Vorsitzender der Schöffen nicht an der Urteilsfindung beteiligt, er verkündete aber die Urteile und war für die Vollstreckung verantwortlich.

(Mit verkauft wurden eine Reihe anderer Rechte, die zusammen die "Herrlichkeit Lobberich" genannt wurden und 10.400 Pfund einbrachten.)

Die 6-7 Schöffen, die für Lobberich seit der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts belegt sind, waren zunächst für alle Arten Verbrechen, von Diebstahl bis Mord zuständig. Bei schwerwiegenderen Fällen holte man sich allerdigs Hilfe beim übergeordneten Landgericht in Hinsbeck oder Hauptgericht in Roermond (woraus der Instanzenweg entstand).

Exkurs: Gerichtsstätte " De Geer" in Hinsbeck

Zum Landgericht für das Amt Krickenbeck, gehörten neben der Herrlichkeit Lobberich die Wikilink Herrlichkeiten Herongen, Wankum, Leuth, Hinsbeck und Grefrath. Die Gerichtsstätte „op de Geer“ - ein 60x12m großes Oval in Hinsbeck lag unter freien Himmel. Von dort aus war auch der Galgenberg zu sehen, Gehenkte blieben zur Abschreckung lange Zeit am Galgen hängen. Diese Gerichtsstätte wurde bis zur napoleonischen Zeit genutzt.

RP vom 16. Februar 2023: Hinsbecks Freiluft-Gericht wird renoviert

Die beim Schöffengericht Tätigen haben sich im Laufe der Zeit mehr und mehr auch mit Verwaltungsaufgaben befasst: Sie halfen dem Landesherrn als örtlich Vertraute bei der Aufstellung von Wehrpflichtigen und bei der Eintreibung von Steuern.
(Ab der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts wird aber dafür bereits ein "Schatzheber" eingestellt.) 

Erst später wurden sie selbständiger und vertreten auch schon mal die Interessen der Einwohner gegenüber dem Landesherrn.

Friedensgerichte

In der Franzosenzeit (Einmarsch 1792, dann Rückzug und Rückkehr 1794) wurden nun erstmals  1798 Gericht und Verwaltung strikt getrennt, auch die Gesetzgebung (Rat der Gemeinde) wurde jetzt eingeführt.
Die Schöffengerichte wurden durch sog. "Friedensgerichte" abgelöst.
Auch Lobberich bekam ein Friedensgericht. Diese waren unterste Instanz in Zivilsachen und seit 1811 auch unterstes Straf- und Polizeigericht.

Im Protokoll der Amtseinführung als Bürgemeister "Maire" wird Link Heinrich Haanen als Beisitzer des Lobbericher Friedensgerichtes bezeichnet.

Als die Preußen (seit 1814 - Wiener Kongress - wieder die Herren im Land) 1821 das Gerichtswesen neu strukturierten, blieb der Sitz des Friedensgerichtes erhalten,

1834 werden im Link Adressbuch folgende Personen in dem Zusammenhang genannt:

  • Caldenbach, Abr(aham), Gerichtsvollzieher.
  • Mühlen, Xaver, Gerichtschreiber,
  • Stomps, Th(eodor?)., königl. Friedensrichter.

1837 kam noch ein staatliches Handels- und Gewerbegericht hinzu, und ein staatliches Polizeigericht.

Als Lobbericher Geschworene fungierten 1845 am Friedensgericht der Grundeigentümer, Wirt und Kleinhändler Johann Heinrich Bongarz, der Ackerwirt Conrad Gartz, der Fabrikinhaber Quirin Heythausen, der Link Apotheker Wilhelm Kalker, der Bürgermeister Link Johann Heinrich Kessels und der praktische Arzt Dr. Everhard Schiejfer (Adreßbuch 1845).

Amtsgericht

Am 1. Oktober 1879, wurde das Lobbericher Amtsgericht von Preußen-König Wilhelm I. durch Verordnung vom 26. Juli 1878 eingerichtet.
Anlass für Wilhelm I. war das Inkrafttreten der Reichsjustizgesetze, mit denen erstmals einheitliche Gerichtsarten und Verfahrensregeln für das gesamte Reichsgebiet festgeschrieben wurden.

Damals gehörte das Amtsgericht zum Landgerichtsbezirk Kleve. 1910 wurde es dem Bezirk Krefeld zugewiesen, zu dem es gemeinsam mit dem Amtsgericht in Kempen bis heute angehört.

Königliches Amtsgericht

Auf der Link Süchtelner Straße noch zu sehen:
der Eingang zum ehemaligen königlich preußischen Gericht:

Hier das Siegel:

Das Amtsgericht heute (Steegerstraße):

Amtsgericht Lobberich Standort seit 20. März 1938

Als der Anbau (im Bild rechts) fertiggestellt wurde, gab
es noch kurz etwas Aufregung um das Windspiel:
Darf sich Justitia nach dem Winde drehen?!

1970 Lobberich verliert seine Selbstständigkeit - das Amtsgericht wird in "Amtsgericht Nettetal" umbenannt.

2004 arbeiten dort 40 Bedienstete, davon sechs Richter. Hinzu kommen vier Gerichtsvollzieher und sechs Schiedsleute. Jährlich werden etwa 1250 Zivil-, 580 Familien- und 350 Strafsachen bearbeitet.


Literatur Dohms 128ff

Westdeutsche Zeitung vom 7. Oktober 2004:
"125 Jahre Amtsgericht Lobberich"